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Aus den USA in den Götterhimmel

CAMERATA / KONZERT

18/11/24 Dumbarton Oaks? Mag sein, dass man in absehbarer Zeit wieder an diesen Ort erinnert wird. Wenn nämlich Donald Trump wieder mal die Weltpolizistenrolle der USA innerhalb der Vereinten Nationen in Frage stellt... Was das nun mit Musik und dem jüngsten Camerata-Konzert zu tun hat?

Von Reinhard Kriechbaum

1937/38 hat Igor Strawinsky sein Concerto in Es geschrieben, bekannter ob seines Namens Dumbarton Oaks. Strawinsky musste sich in den Kriegsjahren nach der Decke strecken. Auch die mit minimalistischer Orchesterbesetzung auskommende Oper Die Geschichte vom Soldaten entstand damals. So kam ihm der Kompositionsauftrag des amerikanischen Diplomaten und Mäzens Robert Woods wohl mehr als gelegen. Dessen Landsitz nahe Washington DC trug den Namen Dumbarton Oaks, den der Auftraggeber auch dem neuen Musikstück zum 30. Hochzeitstag gegeben wissen wollte. Der Ort sollte sechs Jahre später weltpolitische Bedeutung erlangen, denn dort trafen sich 1944 Vertreter der Weltmächte, um eine Charta für die Zeit nach Kriegsende zu entwerfen – das war die Geburtsstunde der United Nations.

Treppenwitz der Geschichte vielleicht: Gerade als seine Werke in Deutschland als „entartet“ galten, nahm Strawinsky in Dumbarton Oaks Bezug auf Bachs Brandenburgische Konzerte und konzipierte ein Werk in der gediegenen Besetzung mit Flöte, Klarinette, Fagott, zwei Hörnern und jeweils zwei oder drei Streichinstrumenten. Das ist nun Musik ganz nach dem Gusto der Camerata, in der ihre Mitglieder ihr kammermusikalisches Mütchen kühlen können. Tempo giusto – diese Vorschrift für den Eröffnungssatz haben sie beispielsweise mit swingender Energie umgesetzt und mit Klangsinn sowieso. Pikant zu verfolgen, wie Strawinsky gleichsam „postmodern“ den Geist des Concerto grosso neu auslotete. Selbst aus dem Mittelsatz spricht da ein fast übermütiges Schwatzen im Pulcinella- gar Petruschka-Geist.

Zur selben Zeit hat Francis Poulenc sein Konzert g-Moll für Orgel, Streicher und Pauken geschrieben. Auch das ist Neoklassizismus, aber durchwegs in einer anderen Spielart. In Paris hatte man die Chansons genau so im Ohr wie die große Tradition der Orgelromantik, und beides zusammen macht gerade das Charisma dieses Orgelkonzerts aus.

Christian Schmitt hat das Orgelhandwerk sozusagen an der stilistischen Quelle studiert (bei Daniel Roth in Paris) und hat dereinst einen ECHO-Klassikpreis für die Einspielung der Widor-Orgelsymphonien eingeheimst. Einer wie er weiß, wie man registriert: Im Fall des Poulenc-Konzerts so erfindungsreich wie unprätentiös – schließlich steht dieses Werk gerade ob der nötigen Balance zu den Streichern nicht fürs Aufbrausen der vermeintlichen „Königin der Instrumente“, sondern für kammermusikalisches Aufeinander-Eingehen. Aber so, wie die Streicher immer wieder Schmalz einbringen dürfen, darf dann schon auch der Organist ordentlich Register ziehen, zu den Impulsen der viel Wirkung machenden Pauken (Michael Mitterlehner). Das alles stand in feiner Abstimmung zueinander.

Weil die Orgel im Großen Saal des Mozarteum ja eben erst, nach Abschluss der Saal-Restaurierung, gereinigt und intonatorisch aufgemöbelt worden ist, gab es auch eine illustre Zugabe, das Varhany sólo aus der Glagolitischen Messe von Leoš Janáček. Schon fein, dass die Stiftung nun wieder ein Mal im Monat Orgel zu Mittag anbietet (bei freiem Eintritt, aber mit Zählkarten). Sollte man nützen.

Die Leitung vom Konzertmeisterpult aus hatte in den beiden Camerata-Abonnementkonzerten dieses Wochenendes (15./17.11.) Giovanni Guzzo. Er war nach der Pause auch solistisch gefordert, denn Strawinskys Apollon Musagète hält diesbezüglich ja einige fordernde Aufgaben bereit. Ein ordentliches Quantum Neoklassizismus also in diesem Konzert, wobei die Ballettmusik natürlich das bei weitestem bekömmlichste der drei Stücke war. Wie Guzzo und die Camerata das spielten, kam einem Harnoncourt in den Sinn, der gerne von den rhetorischen Qualitäten und Quasi-„Romantizismen“ des in seinen Augen oft krass missverstandenen Strawinsky gesprochen hat – ohne jemals selbst dirigierende Hand anzulegen an eines seiner Werke. Diesbezüglich blieben bei der Camerata keine Wünsche an Klarheit, Elegance und Mitteilungskraft offen. Heute Montag (18.11.) gastieren Guzzo und die Camerata in Vicenza.

Die nächsten Konzerte der Camerata – camerata.at
Die nächsten Termine in der Reihe „Orgel zu Mittag“: 26. November und 17. Dezember, 12.30 Uhr – mozarteum.at
Bilder: www.christianschmitt.info / Uwe Arens (1); dpk-krie (1)

 

 

 

 

 

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