Einfühlen in den „österreichischen“ Klang
UNI MOZARTEUM / ORCHESTERKONZERT
24/10/24 Erhellend ist ein Blick auf die Musiker-Namensliste des Sinfonieorchesters der Universität Mozarteum: Das Vorurteil etwa, dass Unmengen von Studierenden aus dem Fernen Osten kommen, war zumindest in der Abend-Besetzung am Donnerstag (23.10.) im Haus für Mozart einigermaßen widerlegt.
Von Reinhard Kriechbaum
Vierzehn von vierundsiebzig, das ist nicht übertrieben viel. Auffallend, dass fast ebenso viele Musikerinnen und Musiker aus spanischsprachigen Landen kommen. Eine von der Herkunft jedenfalls höchst buntscheckige Schar. Schon anhand dieser Namensliste kann man nachfühlen, was es bedeutet, mit dieser Truppe von Studierenden Bruckners Vierte Symphonie, die Romantische, einzustudieren. Klar: die Noten selbst dürfen keine Schwierigkeiten bereiten, bei heutigen Ausbildungsstandards. Dass man aus Mozarteums-Reihen eine professionelle Horntruppe zusammenbringt (mit famosem Solo-Horn), dass sich Trompeten und schweres Blech keine Blößen geben – davon muss man ausgehen. Die heikle Rhythmik im Scherzo, vor allem im Holzbläsersatz, wurde natürlich auch mit der aktuell vorauszusetzenden Präzision umgesetzt.
Viel eher schon die Frage: Gelingt es im Streichercorps, dem Bruckner-Idiom nahe zu kommen? Gerade da geht es – nicht nur in der Romantischen – darum, auch den charmanten Tonfall aus der oberösterreichischen Landler-Tradition heraus zu greifen. Und wer Bruckner spielen will, muss mit Schubert, Lanner und Strauß ja auch einigermaßen gut bekannt sein, muss also das speziell „Österreichische“ aus dem Unterricht in den diversen Streicherklassen schon mitgenommen haben.
Durch und durch Erfreuliches war da zu hören, wenn gerade die so wichtigen Streichermotive wie Puzzlesteine zum symphonischen Ganzen zusammengesetzt wurden: akkurat geprobt und mit viel Charisma „auf Linie“ gebracht. Celli und vor allem Bratschen sind zuvorderst zu nennen. Ion Marin, der aus Rumänien stammende Dirigier-Professor und Leiter des Sinfonieorchesters der Universität Mozarteum hat eine schlüssige, zurecht akklamierte Wiedergabe erreicht. Dass im Finalsatz (in Bruckners Letztfassung von 1880) dann schon die Stunde der Wahrheit schlägt, was den durchgehenden Atem, die großen Bögen und Entwicklungen angeht – wen wundert's, wenn sich da der eine oder andere Bruch zeigt?
Darf man mutmaßen, dass dies für die meisten Spielerinnen und Spieler in diesem Orchester die einzige Begegnung mit Bruckners Symphonik im Laufe ihres Studiums war und sein wird? Eine gute Erfahrung jedenfalls für angehende Orchestermusiker, die sich alsbald in Dutzend-Scharen um viel zu wenige freie Stellen bewerben werden. Hartes Brot, in das zu beißen man offensichtlich gut vorbereitet wird an der Universität Mozarteum.
Wagners Wesendonck-Lieder: auch das alles andere als eine gewöhnliche Herausforderung. Für jeden der fünf Gesänge war eine andere Sängerin aufgeboten. Anna-Maria Husca, Donata Meyer-Kranixfeld, Olaia Lamata Ezcurdia, Agnes Hyunjin Kim, Elilie Haaning Christensen – auch eine höchst polyglotte Schar. Aufschlussreich, in die Kurzbiographien zu schauen. Sie alle stehen logischerweise eher am Ende ihrer Master-Studien und eigentlich alle haben schon Bühnenerfahrungen gesammelt, keineswegs nur in der hauseigenen Opernschule. Geradlinige Ausbildungen an einem Ort reichen ja längst nicht mehr aus, um aufs internationale Konkurrenzfeld vorbereitet zu sein.
Es wäre ungerecht, anhand bloß je eines Liedes etwas über die Sängerinnen zu sagen. Jeder dieser Stimmen wäre zuzutrauen, dass sie auch im Wagner-Fach bestehen. Auch für sie war es ja nicht gerade alltäglich, in einem Saal von der Dimension des Hauses für Mozart aufzutreten. Keine hatte Mühe, sich gegenüber dem Riesenorchester zu behaupten. Die Orchesterbegleitung war luzid, vor allem im Holzbläsercorps besonders feinfühlig.