Triumphaler Ausklang. Grandioses Debüt
KULTURVEREINIGUNG / MOZARTEUMORCHESTER / ŠLEKYṪE
21/12/23 Ein grandioses Debut! Die junge Litauerin Giedrė Šlekytė kam, dirigierte am Mittwoch (20.12.) zum ersten Mal das Mozarteumorchester und siegte haushoch mit Mahler. Davor Mozart mit dem Pianisten Francesco Piemontesi. Eine Sternstunde!
Von Horst Reischenböck
Österreich beweist sich immer wieder als praktikables Sprungbrett für Dirigier-Karrieren. Mirga Gražinyte-Tylas Wegweisern folgt derzeit Giedrė Šlekytė aus Salzburgs Partnerstadt Vilnius. Nach Studium in Graz und Nominierung zum Young Conductors Award der Salzburger Festspiele 2015 war sie am Stadttheater Klagenfurt engagiert. In der Zwischenzeit leitete sie Produktionen in nahezu allen Opernhäusern Deutschlands, desgleichen prominente Sinfonieorchester zwischen Finnland und Japan.
Zum Jahresausklang der Kulturvereinigung-Abos fügt sie – Mittwoch bis Freitag im Großen Festspielhaus – das Mozarteumorchester ihrer Auftrittsliste hinzu. Zu Beginn das Klavierkonzert KV 503 – als Nr. 25 in gewisser Weise sein „Jupiter“-Konzert, auch in derselben Tonart C-Dur, mit auftrumpfendem Anfang, der aber gleich durch Abdriften in melancholisches Moll in Frage gestellt wird. Emotionell wird der aufmerksame Hörer immer wieder aufs Glatteis geführt. Weil vielleicht vorhandene Erwartungshaltungen ad absurdum geführt werden.
Nach dem strahlenden Glanz durch unmittelbar folgend verinnerlichte Momente, denen der Tessiner Francesco Piemontesi feinst retardierend atmosphärischen Ausdruck verlieh. Den von der Vorlage her geforderten Wechsel vom Licht in Dunkel, von mit virtuoser Leichtigkeit perlenden Skalen mit zärtlich nachsinnender Melodik gestaltete Piemontesi in Verbindung mit Giedrė Šlekytė als aufmerksam mitgestaltende Partnerin dergestalt bis ins Finale hinein zu einem nicht oft so zu erlebenden Genuss. Mit dem Triller-funkelnden Andante-Rondeau en Polonaise, dem Binnensatz aus „Wolfgangs“ früher Sonate D-Dur KV 284 (205b) entließ er in die Pause.
Gustav Mahler bedeutete das Komponieren einer Sinfonie das Erschaffen einer eigenen Welt. Das spiegelt auch seine vor 120 Jahren vollendet erste rein instrumentale Sinfonie Nr. 5. Unglücklich über ihre Urversion kaufte er den ganzen Druck auf und instrumentierte neu. In dieser Gestalt war‘s das Hauptwerk an diesem Abend – das sich auf den ersten Blick trotzdem disparat, ähnlich wie Mozart, hinterfotzig gibt.
Angefangen mit der Aufteilung ihrer fünf Sätze in drei Abschnitte und nur wegen des eröffnenden Trauermarsches wegen in cis-Moll stehend bezeichnet. Gleich nach dem phänomenal vom Solotrompeter geblasenen Signal zitiert Mahlers sein letztes, mit Abstand tragischstes Wunderhorn-Lied Der Tamboursg‘sell. Und auch das Rückert-Kindertotenlied Nun will die Sonn‘ so hell aufgeh‘n klingt in diesem niederschmetternden Ausbruch an Tragik an, der dann mit einer Anspielung an Beethovens Schicksalsmotiv akustisch im Nichts verhallte.
Ihm folgte unmittelbar der eigentlich vehement kämpferische Sonatenhauptsatz in a-Moll, wegen dem Mahler auf eine Tonartencharakteristik ganz verzichten wollte. Mit voller Wucht dem Orchester anvertraut und von diesem in allen Details grandios umgesetzt, führte er dennoch noch lange nicht nicht zum Sieg. Sein triumphieren wollender Choral brach wie vorgesehen in sich zusammen und sollte erst als verbindende Klammer dann das Finale überhöhen..
Für den zentralen Angelpunkt inmitten, das nur vordergründig auf den ersten Blick Walzer-selig riesige D-Dur-Scherzo, holte sich Šlekytė den wunderbar intonierenden Solohornisten neben sich vorn an die Podiumsrampe. Trotz perfekt ausbalanzierter Holzbläsereinschübe und präzise angestachelten Fugati erinnerte auch dieser zweite Teil der Sinfonie durch Holzklapper und drohendem Rhythmus der Großen Trommel weit eher an Nachklang einer Art Totentanz. Die Stimmung wischte das nachfolgend berühmte Adagietto mit seinen Assoziationen zu Mahlers Lied Ich bin der Welt abhanden gekommen hinweg. Giedrė Šlekytė versenkte mit suggestiver Zeichengebung die Streicher in sinnlich opulenten Klangrausch. Mit gut anderthalb Minuten länger als Mahlers einstiger Assistent Willem Mengelbert hielt sie sich dabei in durchaus normalem Rahmen.
Ironie danach: Das Zitat des Wunderhorn-Lieds Lob des hohen Verstands war mit auch dazu angetan, gedanklich abschließenden Jubel nicht allzu eindeutig ausufern zu lassen. Den besorgte dann das begeistert alle Ausführenden feiernde Auditorium umso nachhaltiger und eindringlicher!
Heute Donnerstagt (21.12.) wird dasselbe Programm wiederholt, morgen Freitag (22.12.) spielt Francesco Piemontesi statt Mozart das Klavierkonzert Nr 4 G-Dur op. 58 von Ludwig van Beethoven – www.kulturvereinigung.com
Bild: SKV (1); Patrick Wack /Cartier (1)