Zwei plus zwei ist vier. Oder?
MOZARTEUMORCHESTER / JÖRG WIDMANN
15/12/24 Die abwechslungsreiche Kost des letzten Donnerstagkonzerts vor Jahresende wirkte nur auf den ersten Blick disparat. Tatsächlich komponierten Korngold, Mozart, Strauss und JörgWidmann, der Klarinetten-Solist und Dirigent des Abens, alle bereits in jungen Jahren. Herauskam ein Abend mit Höhen und Tiefen.
Von Horst Reischenböck
Parallelen zwischen Mozart und Richard Strauss gibt es insofern, als Beider früheste Kompositionen von den jeweiligen Vätern aufgezeichnet wurden. Diese standen aber nicht auf dem Programm. Im Gegenteil. Ein Spätwerk waram Beginn zu hören, eine von Richards „Handgelenksübungen“, das Duett-Concertino für Klarinette und Fagott AV 147. Sein letztes rein instrumentales Opus, relativ selten gespielt, weil es zweier ausgefuchster Solisten bedarf. Wie eben Jörg Widmann, virtuos am gar nicht so „süßen Hölzl“, das sich über dem an das Vorspiel zu Capriccio gemahnenden Streichsextett erhob. Ebenbürtiger Mitstreiter und Widerpart mit seinen humorvollen Einwänden war der Solofagottist Philipp Tutzer aus dem Reihen des Mozarteumorchesters. Ihnen sprang vor Ende des eröffnenden Allegro moderato die namentlich im Programmheft nicht genannte, von Strauss aber explizit vorgeschriebene Harfe, glitzernd bei.
Das Hauptaugenmerk galt dennoch der Symphonic Serenade in B-Dur op. 39 von Erich Wolfgang Korngold. Dieser wollte sich, offenbar seiner Hollywood-Jahre als Filmmusik-Schaffender überdrüssig, im sozusagen „seriösen“ Genre beweisen. Auf dem Weg von seinem dankbaren Violinkonzert zur Sinfonie entstand jenes Kleeblatt für eine Serenade viel zu gewichtiger Streichersätze, gewidmet „Luzi, my beloved wife, my best friend“. Das Werke wurd interessanterweise von Wilhelm Furtwängler ohne Kenntnis zur Uraufführung akzeptiert, die jedoch nicht zu Korngolds Zufriedenheit ausfiel und deshalb als Dokument nicht überdauerte.
Korngolds klanglich-sinnliche Vorstellung orientierte sich an de Streichern der Wiener Philharmoniker mit zehn Kontrabässen aufwärts. Die allein hätten das Podium des Großen Saals im Mozarteum schon überstrapaziert. Das Mozarteumorchester fand mit ihrer drei das Auslangen. Trotzdem entfaltete sich selbst in dieser verschlankten Version der Reiz der Vorlage vollinhaltlich.
Nach dem zumindest teilweise kämpferisch ausartender Kopfsatz folgte ein scherzendes Pizzikato-Intermezzo samt zweier kurzer Trio-Einschübe. Den gewichtigsten Teil beanspruchte in der Nachfolge das Lento religioso in D-Dur, dessen dreiunddreißig Melodie-Takte sogar Anton Bruckner in den Schatten stellen. Hier und im nahezu unermüdlich bewegten Final-Rondo wiederum waren Anklänge an Gustav Mahler unüberhörbar.
An diese üppig und engagiert ausgespielte, eigentlich für Salzburg längst überfällig gewesene Novität fügte sich nach der Pause Jörg Widmanns kurze eigene „Aria“ für noch weiter verschlankte dreizehn Streicher nahtlos an. Beleg dafür, dass auch modernste Musik aus dem letzten Jahrzehnt keine Verständnisprobleme in sich bergen muss.
An Wolfgang Amadé Mozarts Sinfonie g-Moll-Sinfonie KV 550, wie von Widmann nicht anders zu erwarten in der mit Klarinetten bestückten Zweitfassung, schieden sich jedoch zum Schluss die Geister. Vom Mozarteumorchester erstaunlich willig befolgt und umgesetzt, gab‘s nämlich eher nicht die überbordende Tragik der Vorlage, sondern den Ausdruck von Widmanns vornehmlich eigenem wütenden-aggressiem Zugang. Aggressivität war tatsächlich hörbar in den Sprüngen auf dem Podium. Fast wie Rumpelstilzchen. Wie lautet der alte Ratschlag: „Nicht der Dirigent soll ins Schwitzen kommen...“