Wofür ein Dirigent gut ist – und wofür nicht
KONZERT / CAMERATA
12/12/23 Ein kreativer Titel für ein Programm mit Werken von Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy: Fortsetzungsroman:tik. Das meinte in den beiden Abonnementkonzerten der Camerata Salzburg am Freitag (8.12.) und Sonntag (10.12.) erstens erzählerische Musik, zweitens einen weiteren Streifzug durch die Romantik, die sich die Camerata gerade konzentriert vornimmt.
Von Reinhard Kriechbaum
Ausreichend Gelegenheit und Anschauungsmaterial bekam man an diesem Abend, um darüber nachzudenken, wozu ein Dirigent gut ist – und wofür nicht. Es ist ja mehr als außergewöhnlich, wenn man bei Orchestermusik, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, auf einen solchen verzichtet.
Gregory Ahss hat die Camerata vom Konzertmeisterpult aus geleitet, und man kann durchaus von einer Experimentalsituation sprechen. Schumanns Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52 rechnet zwar – orientiert man sich an einer Briefstelle des Komponisten – mit einer überschaubaren Orchesterbesetzung. Aber vor allem die Ouvertüre ist durchzogen von spontanen Stimmungswechseln, die nach alerter Agogik verlangen. Das ist dann schon eine erhebliche Herausforderung, auch für dieses seit je her aufs Aufeinander-Hören geeichte Ensemble.
Was funktioniert? Wenn es darum geht, musikalische Gedanken aufzugreifen, fortzuspinnen, dann ist die Camerata mit ihren eminent kammermusikalischen Fähigkeiten ganz bei sich. Vieles gelingt intern flexibler, als es ein Dirigent quasi von außen steuern könnte.
Dieser „Symphonette“ (© Schumann) eignet allerdings auch viel Sprunghaftes, sie ist durchzogen von spontan eingeworfenen Gedanken – und da ist dann doch nicht immer alles so synchron gelungen, wie man sich das wünschte. Das große Problem ist die dynamische Feinabstimmung, die aus den Orchesterreihen heraus schwer abzuschätzen und vom selbst gut beschäftigten Konzertmeister nur ganz schwer zu regulieren ist. Geradeheraus gesagt: So ruppig, ja derb müsste dieser Dreisätzer nicht daherkommen.
Kian Soltani, Solist in Schumanns Cellokonzert a-Moll op. 129, ist auf seinem Instrument ein Lyriker von Gnaden. Keine technisch noch so halsbrecherische Wendung, die er nicht tonlich zu veredeln weiß. Die Überfülle an samtener Melodik eröffnete den Partnern an den Pulten Anknüpfungspunkte sonder Zahl. Es war eine Freude, auf die vielen kleinen Dialoge zu hören. Das Motto Fortsetzungsroman:tik gilt hundertprozentig für dieses komplexe Werk, das viel weniger geradlinig erdacht ist als etwa das viel bekanntere Klavierkonzert Schumanns. Die erzählerische Komponente dieser Musik wurde voll eingelöst.
Mendelssohns Italienische ist ungleich geradliniger als Schumanns Musik. Diese Symphonie anzuführen geht locker vom Konzertmeisterpult aus. Auch da hat man experimentiert, nicht nur indem die Camerata stehend spielte. Die Ersten Geigen wanderten von links nach rechts, standen also unmittelbar vor den Kontrabässen und neben den Violoncelli. Bratschen und Zweite Geigen diesmal also ungewohntermaßen links am Podium. Die kompakte Melodie/Bass-Gruppe bringt etwas, und das Musizieren im Stehen auch – und konnte man als Zuhörer in dieser halben Stunde für sich nicht nur einen azurblauen Himmel suggerieren, sondern auch ein temperamentvolles südländisches Treiben. Gehöriger Jubel nach dem finalen Saltarello.