Zärtliches. Unmoralisches. Sehnsüchtiges.
NEUJAHRSKONZERT II / CAMERATA SALZBURG
02/01/23 Die Camerata versteht es immer wieder, in ihre Auftritte zum Jahreswechsel Überraschungen und Neues zu verpacken. So auch diesmal. Angeführt von Konzertmeister und Solist Giovanni Guzuzo. Wie immer launig kommentiert durch den unverwüstlichen Kontrabassisten Josef Radauer.
Von Horst Reischenböck
Ein bunter Strauß an Kompositionen zum Thema „Sehnsucht“ gebündelt stand im Zentrum. Eröffnet wurde mit der melancholisch gefärbten Polka Mazur op. 270 von Josef Strauß, mit welcher jender einst seine Gattin Grüße aus dem fernen St. Petersburgs sandte. Es folgten mit der Intrada aus Bastien und Bastienne ein geradezu zärtlicher Mozart, die in Salzburg mutmaßlich nie zu hören gewesene Kammerorchester-Version des gemütvoll ruhigen Chanson de la nuit op. 54 von Sir Edward Elgar und La Primavera aus Ottorino Respighi. – Von Harfenistin Laura Laszloffy mit glitzernden Kaskaden verziert.
Als gleichsam schon erste, nicht offiziell vermerkte „Zugabe“ gab‘s dann Engelbert Humperdincks Sternenreigen-Walzer, gefolgt vom quirrligen finalen Galopp Petite suit d'orchestre Jeux d'enfants von Georges Bizet. Einen fulminanten Höhepunkt bildete dann Maurice Ravels berühmte Konzertrhapsodie Tzigane, bei dessen Titel sich von Anbeginn ihres Entstehens bis heute die Frage nach eventuellem Rassismus von vornherein erübrigt. Gerade in Spanien sind die „Zigeuner“ heute noch auf diese Bezeichnung stolz, und was der Franzose an virtuoser Aussagekraft in das ungarisch beinflusste Solo verpackte, stellt ohnedies Kunst auf höchstem geigerischen Niveau samt entsprechendem Anspruch dar.
Giovanni Guzzo schürfte dieses Musikanten vorerst kraftvoll und zugleich sensibel aus seinem Instrument, um sich dann vehement dem im zweiten Teil einkomponierten und vom Orchester akzentuiert begleitet tänzerischem Element hinzugeben: n solch beherzt attackiernder Interpretation ein absolutes Gustostück vom Feinsten, auf das dann Gioacchino Rossinis genauso schmissige Ouvertüre zu L’Ialiana in Algeri in die Pause entließ.
Eine kleine Reminiszenz an Sándor Végh gleich darauf: Logisch, dass vorerst zu dem gut Zehn-Minuten aus Igor Strawinskys klassizistisch-romantischem Apollon musagete“ zunächst nur die zwanzig Camrata-Streicher auftraten. Vollzählt angetreten wurde danach zu Josef Lannerd Walzer Die Romantiker. Unglaublich, was alles Josef Radauer zu erzählen wusste, etwa darab erinnerte, dass noch um 1800 solche Tänze als unmoralisch verteufelt wurden... Den Persischen Marsch op. 289 von Johann Strauß II verband Radauer mit der Hoffnung, dass sich dort menschliche Situation verbessern möge.
Eine weitere Rarität bedeutete das Intermezzo op. 356 Liebestraum nach dem Balle von Alfons Czibulka, in dem sich die Holzbläser subtil in den Vordergrund spielen durften und dem Radauer leicht amuröse Gedanken anhängte. Strauss‘ Polka schnell Vergnügungszug heizte die Stimmung so vor recht für Franz Lehár Konzertwalzer Gold und Silber als offiziellen Abschluss auf. Herz, was willst Du mehr? Es gab dann aber doch noch den unerlässlichen Rausschmeißer Eljen a Magyar, Sehnsucht nach Liebe. Diese stillte dann Nancy Sinatras Something stupid.
Bild: CS / Erika Mayer