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Griechische Klangreisen

MOZARTEUMORCHESTER / CARYDIS

11/11/22 Das heuer recht spät in der Saison angesetzte erste Donnerstagskonzert im Großen Saal des Mozarteums bot ein Programm, wie es sein soll. Eine klassische Symphonie inmitten, rundherum tolle Stücke aus dem 20. Jahrhundert. Die Begeisterung des Publikums ernteten zurecht Dirigent Constantinos Carydis, Geigensolist Benjamin Schmid und das Mozarteumorchester.

Von Paul Kornbeck

Dass der Saal dennoch etwas schütter besetzt war, ist nicht nur den derzeit überall zu beobachtenden pandemischen Nachwehen samt zunehmender Geldknappheit der Leute zuzuschreiben, sondern auch der Tatsache, dass auf der anderen Salzachseite ein weiterer Stargeiger zum Chatschaturjan-Konzert ins Große Festspielhaus lockte. So nimmt eine Institution der anderen Publikum weg. Solche Terminkollisionen wie am Donnerstag (10.11.) ließen sich vermeiden, würden die Verantwortlichen rechtzeitig kommunizieren. Dieses alte Salzburger Problem schien in den letzten Jahren vor Corona endlich gelöst zu sein und ist nun leider wieder da.

Immerhin brandete im Mozarteum schon vor der Pause tosender Applaus auf, nach einer fulminanten Aufführung von Leonard Bernsteins Serenade nach Platons Symposium für Solo-Violine, Harfe, Schlagzeug und Streichorchester, die eigentlich ein phantasievolles Violinkonzert ist. Benjamin Schmid lotete die dramatisch akzentreichen und wundersam lyrischen Episoden des altgriechischen Gastmahls, welches sozusagen die Grundlagen der abendländischen Philosophie schuf, mit technischer Souveränität und emphatischer Lust am Musizieren aus und hatte in Maestro Carydis einen nicht nur mitatmenden, sondern auch mitgestaltenden Partner. Im letzten der fünf abwechslungsreichen, keineswegs gedankenblassen, sondern vor allem der Liebe huldigenden Sätze machen Sokrates und Alkibiades symphonischen Jazz von mitreißender Wirkung.

Es war eine gute Idee, vor diesem solitären Stück, das mit einem Violinsolo beginnt, die balsamische Hymn, ein Largo cantabile für Streicher von Charles Ives, zu spielen – schon in Anwesenheit des Solisten und praktisch pausenlos in Bernsteins Serenade übergehend. Und es war eine wahre Freude, dem poesievollen und doch kernigen, sorgfältig modellierten  Streicherklang des Mozarteumorchesters zu lauschen. Wie auch am Ende des Konzerts, an das Carydis Fünf griechische Tänze für Streichorchester von Nikos Skalkottas gesetzt hatte, einen folkloristischen Genuss auf höchstem Niveau. Der vielseitige, zu früh und in seiner Heimat kaum anerkannt verstorbene Schönberg-Schüler Skalkottas gilt als der bedeutendste Komponist Griechenlands im 20. Jahrhundert. Vor allem im klassizistischen Teil seines Schaffens wären noch etliche Kostbarkeiten zu entdecken.

Robert Schumann hat Beethovens vierte Symphonie einmal als „schlanke griechische Maid“ zwischen den sehr männlichen Eruptionen der Eroica und der Fünften bezeichnet. Doch wie fast immer umarmt Beethoven auch hier die ganze Welt in drängender Theatralik, die nur im Adagio ein wenig „edler Einfalt und stiller Größe“ Platz macht. Die Sichtweise des Constantinos Carydis ist bestimmt von Rasanz und Klarheit und macht gehörig Effekt. Da durften an diesem Abend auch die Bläser gehörig auftrumpfen, während die Streicher akustisch etwas ins Hintertreffen gerieten. Was allerdings nicht nur der kleinen Besetzung, sondern wohl auch dem Platz des Rezensenten in den vordersten Reihen geschuldet war. Jedenfalls ein grandioses Konzert, welches heute in Wels wiederholt wird.

Die Saison des Mozarteumorchesters – www.mozarteumorchester.at   - https://www.mozarteumorchester.at/
Bilder: MOS / Thomas Brill; Lienbacher

 

 

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