Doppelt ist besser
KULTURVEREINIGUNG / NDR RADIOPHILHARMONIE (1)
07/09/19 In der Abfolge von Rundfunkorchestern in dieser Saison klopft derzeit Niedersachsen ans Tor der Kulturvereinigung. Mit dem konventionell mit Brahms und Mendelssohn programmierten Auftakt des dreitägigen Gastspiels bewiesen sich die Gäste Mittwoch in der Felsenreitschule erfolgreich in Topform.
Von Horst Reischenböck
Es kann absolut von Vorteil sein, wenn ein Geiger einer Geigerin zur Seite steht. Im konkreten Fall zeitigte der Beginn des Abends eine fast schon staunenswert partnerschaftliche Übereinstimmung zwischen dem Dirigenten Andrew Manze und der Solistin Arabella Steinbauer. Beider Ambition galt einem großen romantischen, primär sinfonischen Violinkonzert, jenem in D-Dur op. 77 von Johannes Brahms.
Andrew Manze ist seit nunmehr fünf Jahren Chefdirigent der Rundfunkanstalt in Niedersachsens Hauptstadt. Er kommt ursprünglich auch von der Violine her und ist hier seit seinem Einsatz für das Mozart-Requiem in bester Erinnerung. Allein schon wie er mit seinem Orchester nach denkbar differenzierten Klangfarben schürfte, war hörenswert. Sehnig elastisch ging's mit satt getönten Streichern in den tatsächlich nicht „zu sehr“ Allegro genommenen Kopfsatz. Zarte Zurücknahme der Dynamik seitens des Tutti bereitete dann Arabella Steinbauer idealen Boden, mit ihrer Stradivari das Hauptthema dramatisch nach Moll hin zu biegen.
Auch im weiteren Verlauf wusste sie zu kontern, ohne dabei lyrische Aspekte zu vernachlässigen. So schwang sie sich im Dialog zu kraftvoller Attacke auf, die sie in der Kadenz bestimmend festigte. Sechzehn Kadenzen stünden da zur Auswahl, sie entschied sich für jene von Fritz Kreisler, in dessen Recitativo und Scherzo sie in einer Zugabe noch intensiverer Virtuosität frönte.
Nach der Bläserphilharmonie, mit der das Adagio anhebt, kostete die Solistin ihre schlichte Kantilene hingebungsvoll zärtlich aus, auch dies in denkbar bestem Einverständnis mit Andrew Manze. Beide zogen dann spritzig ins humorvolle Finale ein. Perfekt ausgespielt war der zigeunerische Kolorit, Brahms‘ Reverenz für den aus dem heutigen Burgenland stammenden Joachim, der ja auch für sich ein „Ungarisches“ Violinkonzert komponierte.
Nach der Pause bewiesen Manze und die NDR Radiophilharmoniker mit der „Italienischen“ Sinfonie in A-Dur op. 90 ihr durch preisgekrönte Aufnahmen dokumentiertes, bestes Einverständnis auch für Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit vollem gestischen Einsatz, ähnlich einst Sir Georg Solti, ging Andrew Manze die in Tönen festgehaltene Reise-Eindrücke nach Süden an und klopfte im Anschluss daran beide Binnensätze subtil auf den innewohnenden elegischen Historismus ab. Im abschließenden Saltarello zündete er zusammen mit den rundum exzellenten Mitstreitern ein wirbelndes Feuerwerk.
Auch wieder Zugaben, Lentement und Hornpipe aus Georg Friedrich Händels Zweiter Wassermusik-Suite.