Nicht Fisch nicht Fleisch nicht Obst
ROCKHOUSE / LIVING COLOUR
26/01/10 Living Colour (NY) am Sopnntag (24.1.) im Rockhouse. - Die Crossover-Hochzeit wurde laut zelebriert. "Ist es zu laut, bis du zu alt", hatte ein junger Besucher auf seinem T-Shirt stehen.Von Per Peterson
Wenn eine Band musikalisch vielseitig ist, kann das von Vorteil sein. Aber wenn sie - wie im Falle von Living Colour - möglicherweise mit Problemen des Selbstverständnisses kämpft, kann das auch leicht nervig wirken. Natürlich: Wir sprechen hier von Crossover-Musik, also dem Vermischen von scheinbar unvereinbaren Stilistiken, was einen neuen Stil hervorbringt. Living Colour gehören zu den Veteranen des “klassischen” Crossover, also der Hochzeit von Metal und schwarzer Musik wie Funk oder Hiphop. Gerade den schwarzen Musikern sagte man ja nach, sie könnten nichts anderes als rappen; mit der Gründung der “Black Rock Coalition”, der auch Living Colour angehörte, bewies man den Kritikern das Gegenteil und viele nachfolgende Bands begannen, den Crossover-Stil zu imitieren und weiter auszubauen.
Die Herren Doug Wimbish (b), Vernon Reid (git), Will Calhoun (dr) und Sänger Corey Clover, allsamt in der Musikwelt als virtuose Musiker und von den Stones bis Marcus Miller gebuchte Sidemen bekannt, spielten, als gehe es darum, die Seele aus dem Höllenschlund des Heavy Metal zu befreien, um kurz darauf mit breitem Grinsen wieder hinein zu stürzen. Oder zwei Nummern später mit einem Popsong alles wieder gut zu machen. Man durfte sich also auf einen energetischen und (vielleicht zu) abwechslungsreichen Abend freuen. Bassist Doug Wimbish sprang samt Bass ins Publikum und exerzierte beinahe am Boden liegend eine seiner effektgeladenen Soli, umringt von Besuchern, die die Darbietung offenbar mit einer Striptease-Show verwechselten und mit voyouristischen Blicken leicht nickend und beinahe verschämt zusahen.
Leider fehlte der Band bei aller Performance und perfektem Spiel das Songwriterische, die Hooks, die Melodien für die poppigen, souligen Songs. Zum anderen ist Living Colour keine reine Metal-Crossover-Band. Und zum Dritten muss man auch noch herzeigen, was man alles im Kasten hat. Und hier wurde es grenzwertig: Schlagzeugsoli gehören zum guten Ton einer Rockband. Wie auch bei Konzerten in anderen Formationen reiste Schlagzeuger Will Calhoun nicht nur mit Drumset sondern auch mit der Spielzeugabteilung eines Musikgroßhändlers an, um mit floureszierenden Becken und leuchtenden Drumsticks zu zeigen, was er so alles kann. Fast schon peinlich für einen Mann dieses Kalibers. Und dies besonders deshalb, weil Calhoun nicht nur einen Drumcomputer zur Unterstüzung hernahm, der soundmäßig in eine Disco-am-Lande entführte, sondern auch unnötigerweise auf einem elektronischen Drumpad Kollegen Vernon Reid arbeitslos machte, in dem er ein Gitarrensolo darauf trommelte.
Möglicherweise macht gerade dieser Stilmix Living Colour aus. Aber wie so oft wäre weniger vielleicht mehr.