Musikalische Pracht und Fülle zum Staunen
CD-KRITIK / CHRISTMAS AT SAN MARCO
21/12/10 Ein bisschen marktschreierisch wirkt der Titel und lässt in Assoziation zu „Christmas in Vienna“ ein publikumswirksames Sammelsurium eingängiger venezianischer Hits vermuten. Doch, welch angenehme Enttäuschung: statt der fünfhundertsten Vivaldi-Wiederaufbereitung sind kleine und größere Schätze weniger bekannter Komponisten Venedigs zu entdecken.
Von Christiane Keckeis
Baldassare Galuppi, seines Zeichens in der Mitte des 18. Jahrhunderts „maestro di Capelle“ von San Marco, hat 1756 eine Weihnachtsmesse speziell für den venezianischen Dom geschrieben, die im Zentrum der Aufnahme steht. Ergänzt wird sie durch ein virtuoses „Adeste fideles“ für Sopran und Orchester, ein festliches viersätziges „Te deum in C“ für Alt-, Tenor- und Bass-Solo und Chor, außerdem ein Kyrie in drei Sätzen von Galuppis Nachfolger Ferdinando Bertoni und einer Sinfonia des Vizekapellmeisters Gaetano Latilla: alles in allem der Versuch einer Rekonstruktion der Weihnachtsmette in San Marco in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Und der Versuch ist durchaus als prachtvoll zu bezeichnen: Galuppis Werke sind eindrucksvolle Edelsteine, die von den Solisten oft ein Höchstmaß an Stimmakrobatik erfordern, vom Chor Präsenz und kluge Gestaltung. Gegen Galuppis Raffinesse und Brillanz wirken die Werke von Bertoni und Latilla konfektioneller, gebräuchlicher, dennoch durchaus qualitätsvoll.
Beim Vocal-Consort Dresden und dem Dresdner Instrumental-Consort unter der Leitung von Peter Kopp sind die venezianischen Klein- und Großmeister in guten Händen, respektive Stimmen. Große Sorgfalt, Genauigkeit und Wertschätzung wird den Werken vonseiten der Musiker angetragen. Der Chor gestaltet durchsichtige Polyphonie ebenso überzeugend wie klangschöne Harmonien, die sprachliche Akzentuierung lässt nichts zu wünschen übrig. Auch das Orchester überzeugt mit Transparenz und Klangschönheit. Einzig die Phrasierung könnte um einiges lebendiger sein. Da wäre ein wenig mehr italienischer Leicht-Sinn der doch überwiegenden deutschen Gründlichkeit vorzuziehen.
Dennoch: Das Staunen überwiegt, über die musikalische Fülle, die im venezianischen Dom im Übergang von Barock zur Klassik in der Liturgie Platz hatte, über die musikalischen Möglichkeiten, die virtuosen Solisten, die festliche Pracht und die innige Tiefe, die vor allem Galuppi zu entfalten vermag. Eine etwas andere Weihnachts-Cd also: nicht nur für musikalische Venezianophile geeignet.