Unterhaltung auf höchstem Niveau
CD-KRITIK / MOZARTEUMORCHESTER / ROBERTO GONZÁLEZ-MONJAS
06/08/23 Kaum zu glauben: Das Mozarteumorchester hat bislang 248 (!) Kompositionen Mozarts aufgenommen – und es gibt noch immer weiße Flecken. Diese zu füllen, scheint ein Projekt des designierten Chefdirigenten Gonzáles-Monjas zu sein. Zu den Festspielen erschien, als erste einer neuen Serie, eine hörenswerte CD mit zwei Serenaden.
Von Horst Reischenböck
Nichts dünkt innerhalb dieses Genres animierender als die durch Vater Leopolds Hand so beglaubigte Serenada Notturna di Wolfgango Amadeo Mozart. nel Gianaio 1776. Selbst leidenschaftlicher Tänzer, nahm er gern an Festlichkeiten wie Bällen, Redouten und Maskeraden teil. Letztere fanden im Rathaus statt, von Mozarts Arbeitsgeber, dem aufgeklärt wirkenden Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo im Fasching zum ausgleichenden Abbau an Standesunterschieden begünstigt.
Die drei Sätze der Serenade D-Dur KV 239 lassen sich in ihrer Verknappung auf den unbedingt notwendigen Gehalt auch als eine Art gedankliches Versteckspiel deuten, sicher jedoch aber als Ausdruck von Wolfgangs genialem und mitunter hintergründigem Humor. Zum Auftakt ein zündender Marsch, gefolgt von einem wiegenden Menuett und einem spritzigen Rondeau. Das Ganze akustisch in Kontrast zum solistisch besetztem Concertino mit Orchestertutti.
Logisch, dass Roberto González-Monjas, der in anderen Orchestern als Konzertmeister fungierte, als leitender primus inter pares das Quartett mit Kollegin Sophia Herbig an der zweiten Geige, dem Bratschisten Milan Radič und der unvergleichlichen Brita Bürgschwendtner am Kontrabass aus dem Reihen des Mozarteumorchesters persönlich anführt. Augenzwinkernd reicherte er seine Soli durch geistreiche Verzierungen und Einstiege an. Pure Lust am Musizieren, die sich spontan dem Hörer vermittelt.
Dazu kontrastiert groß besetzt die zwei Jahre vorher entstande – mutmaßliche – Finalmusik
Serenade D-Dur KV 189B/203, die unter dem Titel Serenata Colloredo firmiert. Vorangestellt der ihr als zugehörig erkannte Marsch in derselben Tonart KV 189C/237. Hier ein marginaler Einwand: Er erklingt präzise federnd, allerdings im Überschwang so geschwind musiziert, wie er selbst durch ausgefuchste Instrumentalisten auf dem Weg vom Schloss Mirabell über die Salzach bis hin zur heutigen „alten“ Universität kaum ausführbar gewesen sein dürfte. Bei aller Bewunderung: Spielfreude sollte sich doch auch an faktischer Verwirklichung orientieren.
Nach dem zum Auftakt ebenso animiert und spielfreudig angegangen schleicht sich auch hier González-Monjas als Solist zärtlich ins Andante. Zu den Menuetten soll damals möglicherweise getanzt worden sein: Die in ihnen angeschlagenen Tempi, so perfekt auch tönend umgesetzt fomuliert und geboten, lassen allerdings eine praktikabel präzise Ausformung der in ihnen vorgeschrieben komplizierten Figuren eher unmöglich erscheinen.
Übrigens: Der Paukist in der Serenata notturna, dem keine sonderlich solistische Funktion zukommt, ist im Booklet namentlich genannt. OK. Aber die Oboe, die sowohl in der irisierenden Nachtstimmung des letzten langsamen Satzes wie im Menuetto vor dem Colloredo-Finale betörend hingebungsvoll singt, bleibt leider unerwähnt. Schade: Sie hätte es sich absolut verdient!
In Summe eine Bereicherung nicht nur für das Mozarteumorchester, das mit diesen im Vorjahr in seinem Orchesterhaus entstandenen Einspielungen einmal mehr nachdrücklich und eindrucksvoll seinen Rang als Sendbote der Musik des Genius loci beweist. Allen Liebhabern zur Freude – auf die Fortsetzung darf gespannt gewartet werden.
Beim Label Berlin Classics ist bis 2025 eine Reihe von sechs neuen Einspielungen geplant. Die CD „Serenades“ erscheint am 11. August als erstes Album der Reihe.
Wolfgang Amadé Mozart: Serenaden D-Dur Nr. 4 KV 189B/203 & Nr. 6 KV 239, Marsch D-Dur KV 189C/239. Roberto González-Monjas, Violine I & Leitung. Sophie Herbig, Violine II, Milan Radič, Viola, Brita Bürgschwendtner, Kontrabass, Michael Mitterlehner-Romm, Pauke. Mozarteumorchester Salzburg