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Zwischen Dunkelwelt und Himmelslicht

HÖRVERGNÜGEN / NETREBKO / DiDONATO / DREISIG

31/05/22 So verschieden die Stimmen, so einheitlich die Optik: Anna Netrebko, Joyce DiDonato und Elsa Dreisig präsentieren sich auf ihren neuesten Alben artifiziell zur Kunstfigur gestylt und mit teils paradoxen Programmen. Wer kann den Marketingkampf ums lohnenswerteste Gesamtkonzept für sich entscheiden? Eine Analyse.

Von Andreas Vogl

Waren Arien-Alben in den Anfängen der Tonträgergeschichte audiotechnische Dokumente historischer Stimmen – so wurden immerhin Caruso und Callas für die Nachwelt hörbar gemacht – entwickelte sich spätestens seit dem Aufkommen von Stars wie Netrebko, Villazón, Kaufmann und Co die CD zum Marketinginstrumentm im Zusammenspiel der Plattenfirmen mit den Agenturen und Opernhäusern. Über eine musikalische Visitenkarte bieten konzipierte Sängerrecitals nun die Möglichkeit, Messages und Gefühlswelten zu vermitteln. Da ist zunächst die letzte CD von Anna Netrebko, erschienen im November 2021 – lange vor den aktuellen Entwicklungen (die Sängerin tritt ja aktuell wieder auf). Eher düster der gewählte Titel Amata dalle tenebre (frei zu übersetzen mit Geliebt(e) aus der Dunkelheit. Drauf zu finden sind zum Beispiel Ariadne auf Naxos’ Es gibt ein Reich, Isoldes Liebestod, Didos When I am laid in earth – reichlich Abschiedsschmerz und titelgebende dunkle Welten.

Mit geerdeter brustiger Stimme, leider nicht wirklich textverständlich gesungen. Dann Arien wie Solo, perduta aus Manon Lescaut, Adriana Lecouvreurs Poveri Fiori, Aidas Numi,pietá und Tu che le vanitá der Elisabetta aus Don Carlo – ihrem dramatischen Schicksal überlassene Frauenrollen und von Netrebko schon lange erfolgreich bühnenerprobt. Wirklich daheim fühlt sie sich aber im russischen Repertoire: das Highlight auf dem Album ist die Arie der Lisa aus Tschaikowskys Pique Dame - der warme Ton ihrer Stimme blüht hier besonders auf. Riccardo Chailly begleitet mit dem Orchester der Mailänder Scala und dirigiert als Bonus das Vorspiel zu Tristan und Isolde. Aufwendig wurden auch einige popige Videoclips für die Deluxe-Edition mit Bluray produziert. Netrebko bzw. die Deutsche Grammophon versuchen an den Erfolg des Debütalbums von 2003 - damals gab es auch schon Bonus-Videos – anzuknüpfen. Wie haben die Sängerin und ihre Stimme sich seitdem gewandelt und entwickelt!

Auch eher widersprüchlich wirkt es, wenn ein Originalklang-Ensemble der Barockmusik, wie Il pomo d’oro unter Maxim Emelyanychev Mahler’s Rückert Lieder (Ich bin der Welt abhanden gekommen), Wagners Wesendonck Lieder (Schmerzen) oder gar Charles Ives Unanswered Question (die Solo-Trompetenstimme wird vokalisiert !) spielt. All dies zu hören auf dem neuen Album der Amerikanischen Sängerin Joyce DiDonato. Und freilich, bei barocken Arien aus Händels Theodora (zum Niederknien As with rosy steps the morn) oder Ombra mai fu aus Serse bzw. Stücken aus Cavalli's La Callisto ist sie daheim und punktet mit wahrem Klangzauber und stimmlich präzisem und erhabenem Ausdruck. Auch für Entdeckungen ist gesorgt: Josef Mysliviceks Adam und Eva Oratorium ist mit einer Arie vertreten, ebenso wie Oscargewinnerin Rachel Portman mit dem Melodram The first morning of the World  als Welterstaufnahme. DiDonato hat die Grenzen des Dunkelreichs, wie von Netrebko besungen, bereits überschritten und interpretiert Stücke programmatisch aus dem Jenseits – Eden ist der CD-Titel. Wirklich entrückend schön!

Und dann ist ja noch die Musik für die Ewigkeit: Mozart. Elsa Dreisig, dänisch-französische Sopranistin und in Salzburg als Fiordiligi in der Cosi fan tutte von 2020/21 gefeiert, hat nun ein reines Mozart-Album eingespielt – Mozart x 3“ heißt es. Aus den drei DaPonte Operm Cosi, Giovanni und Figaro singt sie jeweils drei Nummern. Erstaunlich flexibel, wie sie den Spagat zwischen Gräfin, Susanna und Cherubino, Zerlina, Donna Elvira und Donna Anna oder Despina, Fiordiligi und Dorabella meistert. Eher unwahrscheinlich, dass sie all diese Rollen auch auf der Bühne singt. Aber dazu ist ein Arien-Album ja da. Und dann folgen noch Kaliber wie Elettras Estintó é Idomeneo aus Idomeneo oder Vitellias Non piú di fiori aus La Clemenza di Tito. Beides noch zu früh für die junge Sängerin, aber vielleicht wegweisend für ihre Mozart-Karriere. Ex-Camerata Salzburg Chef Louis Langrée dirigiert auf der CD das Kammerorchester Basel.

Fazit: Alle drei CDs folgen einem jeweiligen Konzept, einer marketingtechnischen „idée fixe“ von der leidenden (Netrebko) über die entrückte (DiDonato) Frau hin zu den (an)mutigen Frauen bei Mozart (Dreisig). Face-to-Face und wie aus einer Kunstwelt entstiegen schauen uns die geschminkten und frisierten Sängerinnen als starke Frauen vom Cover her an. La femme, c’est moi! Die Message der Inszenierung steht aber oft seltsam über dem künstlerischen und musikalischen Soll der Sängerinnen.

Amata dalle tenebre: Anna Netrebko / R. Chailly. DG 4860531
Eden: Joyce DiDonato / M. Emeyanychev. Warner/Erato 9029646515
Mozart x 3: Elsa Dreisig / L. Langrée. Warner/Erato. 9029641225

 

 

 

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