Extrem flinke Finger
CD-KRITIK / FLAUTO E VOCE
20/04/22 Zwei ganz besondere Stücke: Da drängt sich einmal das kürzlich aufgefundenes Konzert in F-Dur von Johann Friedrich Fasch in die Ohren. Ein Bravourstück sondergleichen, wenn man es im Tempo so launig und in den Ornamenten so kompromisslos angeht wie Jan Nigges, dieser junge Draufgänger auf der Blockflöte.
Von Reinhard Kriechbaum
Eigentlich erstaunlich, was auf dem Instrument geht. Zwischen den Ecksätzen, die wirklich rasende Läufe bereit halten für den Solisten, steht ein reizvoller langsamer Satz, in dem die Blockflöte von den beiden Geigen fast träumerisch umschmeichelt wird (ohne Bass, was der Sache zusätzlich eine gewisse Schwerelosigkeit schenkt).
Die zweite Besonderheit ist ein Concerto pastorale für zwei Blockflöten und Streicher von Johann Christoph Pez. Das ist zwar schon in den 1930er Jahren erstmals editiert worden, aber Blockflötisten lassen es eher links liegen, weil diese doch eher schematisch komponierte Musik – zumindest auf den ersten Blick in die Noten – wenig Lohnendes anzubieten hat. Aus dieser Vorlage Charisma herauszukitzeln, dafür braucht es viel nachschöpferische Fantasie. Jan Nigges hat dazu als Partner seinen ehemaligen Lehrer aus Frankfurt gewählt, Michael Schneider. Die beiden finden genau die rechte Temperatur, um den schlichten pastoralen Charakter gebührend herauszustellen. Und doch verkaufen sie sich selbst und das Stück nicht unter ihrem und seinem Wert. Perfekt die gar wundersam synchronen Verzierungen. Was das Concerto pastorale interessant macht: Es folgt nicht einer Konzertform, sondern hinter den sieben Sätzen, von denen vier bloß als „Aria“ ausgewisen sind, verbergen sich Tanzmuster. Es ist also eine verkappte Suite, wie sie eine Generation später dann Georg Philipp Telemann, natürlich auf einer entschieden höheren Ebene der Erfindungskraft, im „vermischten“ Stil mit französischen und italienischen Elementen so recht salonfähig gemacht hat.
Der Titel der CD, Flauto e voce, trifft nicht ganz ins Schwarze. Vor allem ging es bei der Werkwahl ja doch darum, dass Jan Nigges auf der Flöte die Finger rasen lassen konnte. Dafür ist Telemanns Suite a-Moll TWV 55:A2 allemal bestgeeignet. Virtuoser und zugleich wacher im Zusammenspiel mit den Streichern, dem Ensemble Baroque Avenue, kann man sie nicht interpretieren. Drei Arien von Telemann, Fasch und Pez mit der blutjungen Sopranistin Sibylla Elsing wirken gegenüber den Instrumentalwerken eher als Aufputz.