Geigenkitzelnde Herren und eine tolle Oper
CD-KRITIK / PEPUSCH / VENUS AND ADONIS
21/12/16 Gewiss war er ein Musikdramatiker von Gnaden. Es ist wohl einer der Unglücksfälle in der Musikgeschichte, dass Johann Christian Pepusch (1667-1752) einen noch genialeren Opern-Schreiber als Konkurrenten in der Musikmetropole London hatte...
Von Reinhard Kriechbaum
Händel hat das Rennen gemacht, nicht erst bei der Nachwelt, schon bei den Zeitgenossen vor Ort. Aber einen Etappensieg zumindest konnte der in Berlin geborene Pastorensohn Pepusch 1715 einfahren: mit der Masque „Venus and Adonis“.
An der Sprache schieden sich damals die Geister: Händel hatte mit „Rinaldo“ die Lust des großen Londoner Publikums auf italienische Oper geweckt. Andere Impresarii geiferten eifersüchtig: „Da wir sklavisch unsere Sprache der despotischen Macht des Klanges geopfert haben, sind wir weit davon entfernt, ein Musiktheater in England zu etablieren“, polemisierte etwa Colley Cibber, einer der Manager am Drury Lane Theatre, gegen die italienische Oper. An eben diesem Theater war Pepusch in diesen Jahren als Kapellmeister tätig.
„Venus and Adonis“ ist jedenfalls eine von vier Masques, mit denen Johann Christian Pepusch versuchte, das Ruder herumzureißen. Bemerkenswert, dass gerade ein Deutschsprachiger sich so akkurat in die englische Sprache einfuchste – vermutlich sah er genau da eine viel versprechende Nische für sich. Pech für ihn, dass Händel dann auch zur englischsprachigen Oper (beginnend mit „Acis and Galatea“) sein Scherflein beitrug. Da war Pepusch seinen guten Namen als jener, der die italienische Oper quasi ins englische Idiom überführte, alsbald wieder los. Später hat er das Ruder noch einmal, mit „The Beggar's Opera“, zu seinem Gunsten herumgerissen. Das war 1728 im Londoner Lincoln’s Inn Fields Theatre, wo auch „Venus and Adonis“ bis in die 1730er Jahre hinein oft aufgeführt wurde.
Was bleibt, ist die musikhistorische Ehre: „Venus and Adonis“ sei – so die vorsichtige Formulierung im Booklet – „das älteste opernartige Werk in England (gemeint ist: in englischer Sprache, Anm.), von dem uns ein kompletter Satz originaler Stimmen erhalten ist.“
Das Werk aber auf diesen Sachverhalt zu reduzieren, wäre grob ungerecht. Es perlen ja nicht nur die Koloraturen. Für die knapp anderthalb Stunden Musik hat Pepusch viele Stimmungsregister gezogen. Der Orchesterklang wird gerne mit auftrumpfenden Oboen aufgefettet. Die Sopranrolle des Adonis (hier Philippa Hyde) erfordert enorme Virtuosität. Die Arie, wenn Venus den schlafenden Adonis umgirrt und die Vögel zum Gesang auffordert, gehörte unbedingt ins Schatzkästchen von Blockflötisten. Wie man weiß, war die Liebesbeziehung zwischen der Liebesgöttin (in Altlage gesetzt, mit viel Charisma im Ausdruck: Ciara Hendrick) und Adonis so gelungen nicht. Pepusch kostet sein geziertes Verhalten musikalisch aus, und die liebessehnsüchtige Venus, amourös immer am Sprung, muss sich manch kecke Bemerkung, Verhöhnungen gar anhören. Adonis macht sich lieber mit den Jägern auf zum Waidwerk. Gestellt von Mars, gibt er ohne Umschweife klein bei und verzichtet auf Venus, was freilich nicht sein letales Ende verhindert.
Neben den logischerweise ausufernden Partien der Frauenstimmen emanzipiert sich der Tenor Richard Edgar-Wilson: Es ist keineswegs ein polternder und jähzorniger Mars, sondern ein eigentlich ganz un-mythologischer, von Venus' Untreue verletzter Mann. Auch da hält Pepusch' Partitur allerbeste Offerte bereit, und öfter als einmal möchte man sagen: Das ist eigentlich allerbester Händel. Dessen „Acis and Galatea“ ist nicht nur zeitlich ganz nahe, nämlich drei Jahre später uraufgeführt.
Robert Rawson leitet „The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen“. Die „Harmonische Vereinigung geigenkitzelnder Herren“ - der Name geht auf den englischen Schriftsteller Ned Ward und eine der ersten öffentlichen Konzertreihen der Welt eben in London zurück – hat schon einmal eine Lanze für Pepusch gebrochen und eine CD mit Konzerten und Ouvertüren veröffentlicht. Auffallend, dem erhaltenen Stimmensatz des Werks entsprechend, ist der Verzicht auf gezupfte Continuo-Instrumente. Damit hat man sich damals offenbar bewusst abgesetzt von der italienischen Kollegenschaft.