Geistesblitze und Durststrecken
CD-KRITIK / JOHANN JOSEPH FUX
15/12/16 Durch den „alten“ Fux, durch seinen strengen Satz hat man sich im Kontrapunkt-Unterricht plagen müssen. Zugegeben, das war nicht wirklich Vertrauen fördernd. Dass die Musik des Johann Joseph Fux durchaus eine lohnende ist, hat sich unterdessen herumgesprochen.
Von Reinhard Kriechbaum
Und doch wundert man sich, wenn man etwa eine ausgelassene „Follie“ aus der feder von johann Joseph Fux (1660-1741) hört, ein rhythmisch sprunghaftes Stück voll rhythmischer Sprunghaftigkeit. Oder, aus derselben Ouverture à 4 F-Dur, eine temperamentvolle Bourée: Beide Tanzsätze erhielten in dieser Aufnahme durch die Neue Hofkapelle Graz noch perkussive Akzente.
Der ganze „Concentus Musico-instrumentalis“ also erstmals auf CD: Fast wundert man sich, dass Harnoncourt nie auf die Idee gekommen ist. Ihm ist die Einspielung gewidmet, und die Leiter des Grazer Originalklangensembles, die Geigerin Lucia Froihofer und der Cembalist Michael Hell, weisen darauf hin, dass er und seine Frau Alice sich in der Vorbereitungsphase Zeit für Gespräche genommen haben.
1701 ist das Konvolut von insgesamt sieben Suiten gedruckt worden. Zwei sind mit „Sinfonia“ überschrieben, vier mit „Ouverture“ und eine besonders umfangreiche (16 Einzelsätze!) ist als „Serenada“ übertitelt. Erstaunlicherweise ist der „Concentus Musico-instrumentalis“ nur in einem einzigen Exemplar (in neun Stimmheften) erhalten und es gibt keine Abschriften aus dem 18. Jahrhundert. Das ist insofern aussagekräftig, als es den Schluss zulässt: Vorurteile gegen Fux scheint es schon damals gegeben zu haben. Sie gründen wahrscheinlich in dem Umstand, dass der Hofkapellmeister in Wien es mit musikalisch hochgebildeten, selbst komponierenden Herrschern zu tun hatte. Nichts war von den gekrönten Chefitäten weniger gefragt als eine „leichte“ Musik, gar eine massentaugliche oder auch nur mehrheitsfähige. Fux komponierte in der Gewissheit, es mit einigen wenigen feinen und geschulten Ohren zu tun zu haben.
Sperrige Musik also? Eine Gesamtausgabe ist gut zum Überprüfen solcher Meinungen. Noch dazu, wenn die Musik wie hier mit lauterem Sinn, auf technisch ansprechendem Niveau, aber eher nicht mit übertriebenem interpretatorischen Wagemut angegangen wird. Wenn die Neue Hofkapelle Graz in die Gavotte der (Streicher-)Ouverture d-Moll eine Blockflöte einschmuggelt, ist das schon fast eine Pointe. Solche Zurückhaltung ist vielleicht sogar in hohem Maß „authentisch“. Am Wiener Kaiserhof waren nicht die musikalischen Hitzköpfe und Marktschreier gefragt. Die Adressaten waren kundig genug, in einem Stück wie der Sinfonia F-Dur, in der Blockflöte und Oboe den Charakter der Triosonate spiegeln und obendrein französische und italienische Stilelement zusammengeführt sind, eben dies zu erkennen und zu goutieren. Gerade die F-Dur-Sinfonia ist voll solcher Stilmixturen. Musik also auf der Höhe der Zeit, oft erfindungsreich und mit manchem kompositorischen Geistesblitz – aber schon auch mit Durststrecken.