Leben mit fliegender Feder notiert
LITERATURHAUS / CATARINA CARSTEN ZUM 90. GEBURTSTAG
22/04/10 Ihre Texte, so sagt Catarina Carsten, fallen ihr im Traum ein und ihre Geschichten sind ihr Kompass in der Welt. Heute Freitag, 23. April, feiert Catarina Carsten ihren 90. Geburtstag. Gestern Donnerstag las die Salzburger Autorin mit Berliner Abstammung im Literaturhaus.
Von Nic Henseke
Die größten Abenteuer, so Catarina Carsten, finden wir nicht in der Ferne. Die größten Abenteuer können wir jeden Tag erleben, man müsse nur genau hinschauen. Catarina Carsten ist mit dem Buch "Der Fall Ottillinger" bekannt geworden: einem Buch, in welchem sie von der Entführung einer angeblichen Spionin erzählt. Diese wurde von sowjetischen Soldaten verschleppt und konnte erst Jahre später nach Österreich zurück kehren.
Angefangen hat sie ihre Karriere als Journalistin: Ein Beruf, bei dem sie ihre Liebe zur Prosa entdeckte. Wie sie es selbst ausdrückt: "Alltag mit fliegender Feder notiert." Diesem Stil ist sie treu geblieben, denn die Geschichten stammen aus dem Alltag und bestechen durch sprachliche Kürze.
Berlin als Ort ihrer Geburt, wo sie Kindheit und Jugend verbrachte, hatte sie gedanklich zurück lassen wollen. Im Krieg alles verloren, zog sie fort nach Salzburg, um "sich in den Bergen zu verbergen". Dabei habe sie "ihren Ort zum Leben und Sterben gefunden". In der neuen Heimat wird sie schriftstellerisch tätig und beweist einen Scharfblick für ihre Nachbarschaft und die Menschen um sie herum.
Mit liebevollen Spitzen analysiert sie ihre Umgebung in Wort und Sprache und fällt das Urteil: "Was dem einen (Berliner) sein Indikativ ist, ist dem anderen (Salzburger) sein Konjunktiv." So merkt man, dass sie Berlin im Herzen nie wirklich zurück gelassen hat und sie ist auch tatsächlich noch einmal dort hin gereist. Literarisch umgesetzt hat sie dies in den "Berliner Dialogen" mit Witz und Humor. Was nicht das Gleiche ist!
In diesen Erzählungen schreibt sie von ihrer ersten Berührungsangst, die aber schon nach den ersten Begegnungen verschwunden ist. Sie schreibt von Hilfsbereitschaft, Schicksalen und Aufschlussreichem, die Geschichten und ihre Protagonisten wirken echt - Alltag eben - und doch spannend. In diesen Alltagssituationen, findet sie ihren Berliner wieder und damit auch Berlin. Catarina Carsten meint dazu: "So ist das Schönste an Berlin, die Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft." Dann bricht sie noch ein paar Reime übers Knie und geht zu ihren Gedichten über.
Im letzten Teil der Lesung gibt es ein prosaisches memento mori und ein Requiem an ihren verstorbenen Mann, den Komponisten Hermann Regner, dessen Musik (live gespielt von „Triophonie“ mit Georg Winkler, Klarinette, Gerti Eisl-Hollweger, Fagott, und Karl Müller, Klarinette) den Abend im Literaturhaus begleitete. „Dass nichts verloren geht. Eine Liebe“ ist Catarina Carstens siebenter Gedichtband, kummervoll ergreifend erzählt sie von ihrem Verlust. Doch damit es nicht zu traurig wird wünscht sie sich zum Abschied drei heitere Musikstücke von ihm fürs Publikum.