Trakls Fundamente ausloten
HINTERGRUND / GEORG TRAKL / GEDICHTTAFEL
23/04/10 "... Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen / Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen..." - Wo liegt die „Vorstadt im Föhn“? Eine Marmortafel mit dem Gedicht von Georg Trakl hing am Pfeiler der Eisenbahnbrücke beim Heizkraftwerk. Die alte Brücke ist abgerissen, die neue gebaut und längst in Betrieb genommen worden. Doch von Trakl keine Spur. Bis jetzt: Bald soll die Tafel wieder aufgestellt werden.
Von Heidemarie Klabacher
Vor gut einem Jahr haben wir von DrehPunktKultur uns erstmals auf die Suche nach der Marmortafel mit dem Gedicht von Georg Trakl gemacht. Sie warte auf ihre Wieder-Anbringung hieß es. Auf der Baustelle konnte man eine Auseinandersetzung mit expressionistischer Lyrik ja nun wirklich nicht erwarten.
Aber jetzt ist die neue Brücke in Betrieb, und auch die Arbeiten an den Brückenköpfen scheinen - bis auf öffentliche Raumkosmetik - abgeschlossen zu sein. Und bei jedem Vorbeiradeln hält man Ausschau nach der Tafel. Vergeblich, bislang. DrehPunktKultur hat erneut gefragt.
„Die Tafel wird wieder aufgestellt. Wir sind mitten in den Vorbereitungen. Die konkreten Planungen für die Umsetzung laufen gerade“, sagt Sabine Veits-Falk vom Stadtarchiv, bei dem die Causa Trakl inzwischen anhängig ist.
Die Tafel werde nicht wieder am Brückpfeiler angebracht (was wegen der Form gar nicht so leicht möglich wäre), sondern „auf einer Betonhalterung auf der Fläche zwischen den Bäumen, die den Rad- vom Gehweg am Elisabetkai trennt“, schildert Sabine Veits-Falk den künftigen Trakl-Ort. Die Historikerin im Stadtarchiv Salzburg hat die Causa Trakl von einem inzwischen in Pension befindlichen Beamten der Abteilung Kultur und Schule übernommen. „Die Tafel wird so aufgestellt werden, dass man den Inhalt verorten und den lokalen Bezug zum Inhalt des Gedichts herstellen kann.“
"Vorstadt im Föhn“ ist beileibe kein lyrischer Gassenhauer. Ja Trakls Bildwelt ist in diesem Text besonders beängstigend, die positive Schlussvision ein mehr als trügerisches Bild. Trakl, der gerne an der Salzach spazieren gegangen ist, hat auch weniger die malerische Vedute von Mülln im Sinn gehabt, sondern Bilder vom städtischen Schlachthof, der an der Stelle des jetzigen Fernheizwerks stand… Und das erklärt uns heutigen Salzburgern das wohl erschreckendste Bild: "Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut / Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter..." Andere Salzburg-Gedichte, „Die drei Teiche in Hellbrunn“ oder „Musik im Mirabell“ etwa, sind jedenfalls bei weitem nicht so beängstigend.
Wolf Haas’ Kommissar Brenner hatte zwar unrecht, als er meinte, es handle sich bei der Marmorinschrift um einen alten Wetterbericht über einen Smogalarm („Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen“), aber nicht mit seiner Einschätzung: „Zeile um Zeile ist das noch deprimierender geworden. Aber der Brenner hat die Zeilen immer wieder gelesen, weil irgendwas musst du ja tun, wenn du Schädelweh hast, du kannst nicht nichts tun. Und wenn du im Kopf einmal den Schmerz hast, dann am ehesten noch Linderung, wenn du etwas anschaust, das auch einen gewissen Schmerz zeigt.“
Wie auch immer: Die Tafel mit dem überwältigenden Text gehört an diese Stelle bei der Brücke, wie die Tauben auf den Mozart-Kopf oder die Magnolien auf den Makart-Platz. Und jetzt passiert ja wirklich was: Sabine Veits-Falk will zwar keinen fixen Aufstellungstermin nennen („Wir haben mit so etwas keine Erfahrungswerte“), aber es würden jetzt endlich „Nägel mit Köpfen gemacht“. Man sei in der Projektplanung auch schon bei so konkreten Dingen wie der Fundamenttiefe.
Vielleicht ließe sich ja dann noch mehr in die Trakl-Tiefe gehen und ein Trakl-Spaziergang entwickeln. Alle möglichen Wege führen durch Salzburg. Warum nicht auch ein Trakl-Pfad? Es gibt hierorts die Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte, es gibt die Germanistik. Und es gibt Lyrik-Freaks. Wenn sie auch nicht in hellen Haufen daherströmen…