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Merz-Luft, Satzschlangen und Sprachspatzen

RAURISER LITERATURTAGE / LYRIK / GESPRÄCH ÜBER LITERATUR

04/04/16 Bei Klaus Merz gehe es stets um eine Ahnung des Ganzen. Ein vertikaler Erzähler sei er, ein Mann der kleinen Worte, so Rauris-Intendantin Ines Schütz, die umso größere Wirkung entfalteten. Feinsinnig, humorig, herzerwärmend, verblüffend, leicht und doch von großer Tiefe zeigt sich seine Sprache.

Von Ines Hickmann und Nadine Fejzuli

Mit wertschätzenden treffenden Worten kündigte am Samstag (2.4.) Intendantin Ines Schütz die drei ebenso begnadeten wie unterschiedlichen Lyrikerinnen und Lyriker Klaus Merz, Rosa Pock und Robert Schindel an.

Frische „Merz-Luft“ erfüllte an diesem sonnigen Aprilvormittag den Platzwirt gegenüber der Dorfkirche. „Merz-Luft“ wehte aber auch durch die Herzen, kitzelte beim Verlesen des „Plädoyers für die Poesie“ in den Ohren. Oder sie blies uns wach mit dem Flügelschlag einer schillernden Libelle, als die eine Frau in ihren Sechzigern freudvoll in die Lüfte abhob…

Wachheit fordert auch Rosa Pocks Lyrik, die in ungewöhnlicher Weise mit Sprachgewohnheiten bricht, mit Syntax spielt und damit aneckt, aufbricht, Risse schafft, die einen genauer hinschauen und hinhören lassen. In ihrer Lyrik spiegle sich die unübersichtliche Welt, durch die sich das Subjekt durchschlingert, so hört man in der Einführung zu Pocks Lesung. Irritation, die, wenn sie denn ausgehalten wird, ermöglicht, dem Leben ein Stück näher zu kommen.

Aber auch schlichte Erkenntnisse, wie die, dass niemand wisse wohin, woher denn auch, konnte man an diesem Vormittag von Rosa Pock zu hören bekommen – weise und wohltuend erfrischend. Erfrischend waren auch die Klänge, die Barbara Romen und Gunter Schneider ihren Instrumenten, dem Hackbrett und der Gitarre, entlockten. Zauberhaft und ein weiteres Mal irritierend wirkten deren musikalische Interpunktionen belebend und vertiefend, rüttelten zart die menschlichen Moleküle und das, was zwischen ihnen liegt, noch mal in anderer Weise durcheinander, ließen sie tanzen, schwanken, vibrieren.

Den dritten Teil des außergewöhnlichen lyrischen Samstagvormittags (2.4.) füllte die geballte Wucht der Lyrik des zugleich sanften wie kraftvollen literarischen Urgesteins Robert Schindel. Unvermutet harmlos pfeifen seine „Sprachspatzen“ den Frühling ein, aber Schindels Sprache ist alles andere als harmlos.

Mit immer neuen Wortschöpfungen schafft er Sprache, die man angreifen kann, mit der man das Leben (wieder) riechen und schmecken kann, die tief ins Instrumentarium der Sinnenwelt greift und in unglaublichen Formen wieder daraus hervortaucht. Üppig, zart, sinnlich, triefend, aufwühlend, herzerwärmend, brutal. „Des Winterhimmels schwarze Tränen“, „Dazwischen tritt die Welt aus meinen Adern“, aber auch Wendungen wie „Ein Brösel ist ein fast Nichts“, lassen vielleicht eine leise Ahnung davon entstehen, wie breit und tief diese Sprache ist. (IH)

Im „Gespräch über Literatur“ am Samstagnachmittag diskutierten der Historiker Robert Hoffmann und der Literaturwissenschaftler Karl Müller über die Wechselwirkung von Literatur und Geschichte, sprachen vom „Geschwisterverhältnis von Wissenschaft und Kultur“.

Eine ästhetischere Herangehensweise auf der Suche nach vergangener Wirklichkeiten gesteht Hoffmann der Literatur von Anfang an zu. Er erzählt vom Historikerdilemma, sich keine sinnlichere Sprache erlauben zu können, um historische Wahrheiten attraktiver darzustellen. „Ansonsten dürften sich sicher auch Historiker höherer Auflagenzahlen erfreuen.“

Dennoch wären Wissenschaft und Kultur auch Siegelungen. „Literatur spricht Missstände an, gibt Beobachtungen mit. Die Aufgaben der Wissenschaften wäre es dann, diese Themen aufzugreifen und Schuld- und Verantwortungsfragen zu klären.“ Karl Müller gestikuliert leidenschaftlich. Vice versa solle Literatur aber auch bestehende Geschichtsbilder verfeinern. (NF)

Für DrehPunktKultur berichteten aus Rauris Studentinnen und Studenten von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2016)“ am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.
www.rauriser-literaturtage.at
Bilder: RLT/David Sailer; dpk-Hickmann (1)

 

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