Blütenlese, Leseblüten
50 JAHRE GERMANISTIK IN SALZBURG
14/10/14 „Stifter lesen. Proseminar“. „Literatur des 19. Jahrhunderts. Übung“. Was damals gelesen, gelehrt und gelernt wurde, gehört zum Leben. Wie die Zuneigung zu Parzival und Parsifal. Wie das schmunzelnde Bewusstsein für die Kunst der Schönfärberei in der Gattung „Autobiografie“. Oder das geschärfte Gehör für das Schrillen der Alarmglocken beim Thema „Zensur“.
Von Heidemarie Klabacher
Das alles – und noch viel mehr – hat sich so federleicht wie unverbrüchlich in Kopf, Geist und Herz niedergeschlagen. Das materielle Gewicht eines Germanistik-Studiums ist aber auch nicht zu unterschätzen. Da sind die Heinrich Heine-Ausgabe „Sämtlicher Schriften“ oder die Hans Henny Jahnn „Jubiläumsausgabe in acht Bänden“ oder sonstige „Primärliteratur“ – schreckliches Wort – gar nicht gemeint.
„Literatur und Bürgertum“ etwa heißt das Buch, in dem Karlheinz Rossbacher so spannend wie detailreich am Bespiel von „Fünf Wiener jüdischen Familien von der liberalen Ära um Fin de Siècle“ den Weg zum Verständnis einer Epoche öffnet. Immer wieder greift man danach.
Sehr viel kleiner von Format, doch ebenfalls Zugänge zu einem Kosmos eröffnend: Die Rowohlt-Monografie von Hans Höller, die UTB Profile von Herwig Gottwald und Andreas Freinschlag zu Peter Handke oder die Suhrkamp BasisBiographie von Manfred Mittermayer zu Thomas Bernhard.
Charmant, die von Ulrike Tanzer mit herausgegebene Aufsatzsammlung „Theater und Gesellschaft im Wien des 19. Jahrhunderts“, eine Veröffentlichung der Internationalen Nestroy-Gesellschaft, in der so unterschiedliche Themen wie Glückspiel oder Vater-Tochter-Beziehungen bei Nestory abgehandelt werden. Eine Fundgrube, die von Constanze und Karlheinz Rossbacher herausgegebene Auswahl aus Alexander von Villers „Briefen eines Unbekannten“.
Dann natürlich die bei aller buchmacherischen Eleganz so schwerwiegenden raumgreifenden Kaliber! Etwa die zwanzig Bände „Thomas Bernhard. Werke“ der ersten Werkausgabe in 22 Bänden, die seit 2003 im Suhrkamp Verlag erscheint. Als Herausgeber zeichnen der inzwischen verstorbene legendäre Wendelin Schmidt-Dengler und der Bernhard-Experte Martin Huber. Und wer ist nicht aller als Band-Herausgeber am Jahrhundert-Projekt beteiligt: internationale Expertinnen und Experten mit doch einem deutlichen Überhang Salzburger Germanistinnen und Germanisten.
Äußerlich ebenfalls mit Understatement in elegantem Cremeweiß daherkommt die historisch-kritische Gesamtausgabe „Adalbert Stifter. Werke und Briefe“ aus dem Kohlhammer Verlag. Auch das eine „Jahrhundertausgabe“. Herausgegeben wird sie im Auftrag der Kommission für Neuere Deutsche Literatur der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Neben der Thyssen Stiftung und dem Freistaat Bayern fördern die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Oberösterreichische Landesregierung und das Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich die Werkausgabe. Recht international, diese Bemühung um Stifter (die Bücher sind trotzdem so teuer, dass der Goldpreis eine Rolle spielen und die Reihe im Regal der meisten privaten Bibliotheken inkomplett bleiben muss). Aber allein mit den Büchern des sechsten Bandes - betreffend „Die Mappe meines Urgroßvaters“ – kommt man pfeilgenau zurück auf die Salzburger Germanistik und zu den Band-Herausgebern Herwig Gottwald und Adolf Haslinger, dem ebenfalls inzwischen verstorbenen großen Salzburger Germanisten.
Noch gar nicht erwähnt sind bei alle dem die Vertreterinnen und Vertreter des „Alten Faches“ und die jungen Professorinnen und Professoren, die den inzwischen emeritierten nachgefolgt sind… Auch auf der Seite der „Ehemaligen“ hat die Germanistik in Salzburg mit bekannten Namen aufzuwarten, in der Literaturszene etwa mit Franz Innerhofer oder Robert Menasse, Ludwig Laher, Christoph Janac oder Fritz Popp. Wolf Haas war, obwohl er vor allem Sprachwissenschaft studiert hat, auch auf der Germanistik anzutreffen. (Handke hat Jus studiert.) Katrin Röggla hat ebenso hier studiert wie Teresa Präauer, die beim Festakt in der Germanistik am Dienstag (14.10.) lesen wird.
Nicht vergessen werden soll - beim Anblick des eleganten gläsernen Uniparks Nonntal, der auch die Germanistik beherbergt - der liebgewordene vergammelte Plattenbau in der Akademiestraße.