Graudsalod und Oliver Kahn
LITERATURFEST SALZBURG / ERÖFFNUNG
31/05/12 Was die österreichisch-kulinarische Spezialität und der Ex-Torhüter der deutschen Fußballnationalmannschaft gemeinsam haben? Beide fanden am Mittwoch (30.5.) bei der Eröffnung des Literaturfests in der Großen Aula den Weg auf die Bühne.
Von Magdalena Stieb
Auch im Jahr 2012 soll die Sprache in all ihren Facetten und Ausformungen gefeiert und ein Fest gestaltet werden, das Menschen und Literatur zusammenkommen lässt. Schon beim Eintreffen wurden die Gäste in der Großen Aula von Jazz-Musik des Sound Post Trios (Haraldur Gudmundsson, Lukas Kletzander, Thorvaldur Thorvaldson) begrüßt – eine festlich-entspannte Einstimmung
„Die Literatur bringt das Eine und das Andere zusammen und schaut was passiert“, so Jochen Jung. In diesem Sinne würden stehe das fünfte Literaturfest im Zeichen der Gegensätze etwa von „Fritz und Frieda“ oder Mann und Frau. Damit solche Konzepte zur Wirkung kommen, bedürfe es „stets eines geduldig lauschenden und strapazierfähigen Publikums“, sagte Jochen Jung, der gemeinsam mit Christa Gürtler und Klaus Seufer-Wasserthal das Programm verantwortet, und bedankte sich schon vorab bei den anwesenden „Literaturbedürftigen“: "Ein besonderer Dank gilt dem Publikum, denn ohne Literaturbedürftige gäbe es kein Literaturfest." Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer überreichten dem Verleger das Große Verdienstzeichen des Landes Salzburg.
Sollen im diesjährigen Programm Gegensätze zueinander finden und damit ihre kreativen Kräfte für die Zuhörer zum Oszillieren gebracht werden, so bekam das Publikum bereits mit dem literarischen Potpourri bei der Eröffnung einen Vorgeschmack. Nicht nur trafen in den fünf Lesungen des Abends Alt und Jung aufeinander, sondern auch sämtliche nationalsprachlichen Ausformungen des Deutschen – und das in den unterschiedlichsten Genres.
Als Anfangs- und Höhepunkt in diesem facettenreichen Reigen trat Friedrich Achleitner auf die Bühne und wusste mit dem von ihm schon vor langer Zeit entdeckten Innviertler Dialekt und den daraus geformten Gedichten den ganzen Saal köstlich zu unterhalten. Die alten und neuen Dialektgedichte in ihrem Witz und dem in der Wiener Gruppe herausgearbeiteten Charakter haben nicht nur nichts an Unterhaltungswert eingebüßt; vielmehr führte Achleitner den österreichischen Dialekt wieder in seiner inhaltlichen und formalen Virtuosität vor.
Formal anspruchsvoll folgte Alois Hotschnig mit einem kurzen Prosatext und vermochte die Zuhörerinnen und Zuhörer durch die komplexe dialogische und monologische Erzählsituation im Wartezimmer einer Ärztepraxis in die überzeugend vorgeführte Vielgestaltigkeit des Alltagslebens zu ziehen: das Wartezimmer als Soziotop, in dem Probleme und Problemchen unter den außergewöhnlichen Umständen des angstvollen oder nervösen Wartens auf ärztliche Behandlung zum Vorschein kommen. Ein Raum der Möglichkeiten.
Fand sich das Publikum eben noch in der österreichischen Literatursphäre, begann nach der Pause die Reise in andere Gefilde – Dortmund, Berlin und Graubünden. Fritz Eckenga, Kabarettist, Autor und Kolumnist, bot einen bunten Strauß an Gedichten (u.a. auf Oliver Kahn), szenischen Umsetzungen von kurzen Texten oder Überlegungen zu Österreich.
Wer sich nicht in den spezifisch deutschen Humor fügen wollte oder konnte, wurde danach von den tragikomischen, trockenen Sagen- und Märchenerzählungen Katja Lange-Müllers aufgefangen und in Grimm’sche bzw. biblische Phantasieräume versetzt. Die Autorin lässt in den Neu- oder Umdichtungen des bekannten Märchens „Der Froschkönig“ und der Schöpfungsgeschichte der Katze in „Die Menschkatze“ etwa den Froschkönig sein Begehren bereuen, über die Gefühllosigkeit seiner Prinzessin Sieglinde klagen und sich nach seiner Froschexistenz zurücksehnen. Damit zerbröckeln unter einer neuen oder altbekannten Psychologisierung bzw. Anthropologisierung und einem steten, durchaus humoristischen Hinterfragen der Sagenfiguren die Märchen.
Auflösen müssen sich auf dem zweiten Höhepunkt des Abends auch die festen, althergebrachten sozialen Gefüge eines Bergdorfs unter der Sprachgewalt des rätoromanischen Autors Arno Camenisch. Er las aus dem letzten Teil seiner Graubündner Trilogie, „Ustrinkata“. Nun also in der Schweiz angekommen, hatte das Publikum wieder einmal die Möglichkeit, dem wahrhaften Zauber des Rätoromanischen zu lauschen (freilich mit Übersetzung), das sich unter dem Blick eines scharfsichtig ironischen Erzählers zu einer beklemmend unmittelbaren und unverwechselbar gestalteten Graubündner Erzählwelt fügt.
Nach den vielen unverwechselbaren sprachlichen und literarischen Eindrücken klang der Eröffnungsabend des 5. Literaturfests Salzburg im Foyer bei Wein und Gebäck aus - an den Büchertischen mit den Büchern der nächsten Tage.