Von der Wasserglas-Autorenlesung zum Literatur-Event
LITERATURFEST / HINTERGRUND
29/05/12 Während sich viele um das gedruckte Buch Sorgen machen - Stichwort Absatzrückgänge - boomen Literaturfestivals im deutschsprachigen Raum. Warum hören die Menschen auf Autoren? Die Organisatoren des Literaturfestes Salzburg im Gespräch.
„In einer Zeit voller Fragen ohne verbindliche Antworten, sucht man die Nähe zu anderen 'Fragern' und zu den wenigen möglichen 'Antwortern'“, meint der Verleger Jochen Jung. „Schriftsteller, so vermutet man, sind näher am 'Eigentlichen', vielleicht sogar nmäher am Wahren, wofür man heute das unscharfe Wort 'authentisch' benutzt.“ Schriftstellern zusammen mit anderen zuzuhören, vermittle ein Gefühl der Teilnahme, vermutet Jochen Jung.
Die Literaturvermittlerin Christa Gürtler meint, dass Festivals "einfach Teil der Eventkultur sind" und sich das Publikum bei Literaturfestivals denn auch mehr als nur Lesungen erwarte: „Wir versuchen tatsächlich Autorinnen und Autoren einzuladen, die noch nie oder selten in dieser Stadt zu Gast waren. Dabei bedienen wir manche dieser Erwartungshaltungen nicht und haben dennoch Erfolg.“ Wie etwa mit der Lyrik-Matinee zum Abschluss des Festivals.
„Sich Sorgen machen um Absatzrückgänge ist das eine. Die Nähe zur Autorin, zum Autor das andere. Diese Nähe lässt im besten Fall die Lust entstehen, zum Buch zu Greifen und den ganzen Text selbst weiter zu lesen“, meint der Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal, der dritte im Intendanten-Team des Literaturfests Salzburg.
„Früher“ – und, wenn man ehrlich ist, auch durchaus heute noch – bedeutete „Lesung“, einen kleinen runden Tisch mit Lampe und Wasserglas darauf, daran ein Autor oder eine Autorin mit mehr oder weniger ausgeprägtem Talent zum laut Vorlesen. Wann hat der Wandel weg von der klassischen Wasserglas-Autorenlesung hin zur „Eventisierung“ stattgefunden, sinnierten die Literaturfest-Verantwortlichen: „Noch besser als zuhören ist erleben. Und am besten etwas, das sich genau so nicht mehr wiederholen lässt“, so Jochen Jung. Daher rühre auch die Anziehung von Poetry Slam: „Man meint im Moment des Erfindens dabei zu sein.“
Der Wandel habe begonnen, „als die Inhalte an Bedeutung verloren haben und immer häufiger die Präsentation über Erfolg und Misserfolg entscheidet“, vermutet Christa Gürtler, die übrigens keineswegs glücklich ist über „diesen gesellschaftlichen Wandel“. Auch die derzeitige Debatte über das Urheberrecht solle in diesem Zusammenhang zu denken geben, so Christa Gürtler. Klaus Seufer-Wasserthal erinnert dagegen daran, dass es bei den Begegnungen von Autoren mit Kindern und Jugendlichen diese „klassische“ Wasserglas-Situation nie gegeben habe: „Hier mussten sich die Vorlesenden immer schon was einfallen lassen um ihre Zuhörer zu fesseln.“
Das besondere am Literaturfest Salzburg seien, „der Ort und sein Zauber“, „die vielfältigen Möglichkeiten Literatur ins Gespräch und unter die Menschen zu bringen“ sowie der Anspruch, Literatur und Gespräch auf vielfältige Weise zu kombinieren und in den einzelnen Veranstaltungen sehr unterschiedliche Autorinnen und Autoren zu präsentieren.
Was sich die Besucher – die großteils übrigens Besucherinnen sind – erwarten, „weiß ich als Literaturvermittlerin noch immer nicht“, sagt Christa Gürtler. „Ich sehe meine Rolle darin, sie immer wieder zu überraschen und hoffe auf ihre Neugier.
Dennoch sind die Verantwortlichen nach fünf Jahren Literaturfest, nicht überrascht darüber, dass das Fest bei Publikum und Fördergebern so gut ankommt: „Die Literatur hatte in Salzburg sozusagen ein öffentliches Nachholbedürfnis – das haben alle sofort verstanden“, sagt Jochen Jung. Klaus Seufer-Wasserthas bestätigt: „Diese Konzentriertheit für die Literatur zumindest an ein paar Tagen im Jahr ist einfach notwendig und das haben uns unsere Besucher und Besucherinnen bewiesen.“ (LFS/dpk-klaba)