Der Kaffeehausgänger auf dem antiken Schlachtfeld
WERNBACHER / SCHUTTING
27/09/10 Zu einer Reise durch ferne Landstriche und nahe Vergangenheiten lud die „Salzburger Autorengruppe“ ins Café Wernbacher. Seine Weggefährten hatte sich der Ehrengast, der Poet und Schriftsteller Julian Schutting, selbst ausgesucht.
Von Thomas Macher
So durften, vom Dichter auserkoren, zunächst drei Salzburger Autoren mit eigens für den Abend verfassten Texten, den Weg ebnen.
Den Anfang machte Horst Weber, dem es mit eindrücklichen Bildern bald gelang, das Klirren der Kaffeetassen in das Klappern laotischer Gebetsmühlen zu verwandeln. Seine Beschreibung von Geschichte und Gegenwart des vom Kolonialismus und Kommunismus gebeutelten, südostasiatischen Staates, blieb trotz detailreicher Schilderungen zu sehr an der Oberfläche.
In tiefere Sphären verschlug es Alexander Peer. Vor dem eiskalten Oktober flüchtet sich sein Ich-Erzähler in die Nachtclubs und Bars des Baltikums, um dort auf eine feurige Schönheit zu treffen. Am Ende steht die Trennung und eine Gewissheit über die Liebe auf Reisen: „Ein Ankommen bei gleichzeitigem Unterwegssein.“
Bevor nun endgültig Julian Schutting die Führung der Reisegruppe im Wernbacher übernahm, leitete sie Wolfgang Kauer zurück auf heimischen Boden: Anhand der Geschichte des Immigranten Sergej und seiner Kinder, wirft er Licht auf das Schicksal der Volksgruppe der Kosaken in Salzburg. Ein finsteres und verworrenes Kapitel in der österreichischen Nachkriegsgeschichte, dem der Autor mit dramatischem und einprägsamem Erzählstil beizukommen versteht.
Nicht weniger düster und geschichtsträchtig eröffnete Julian Schutting dann schließlich seine Lesung aus den Miniaturen „Auf der Wanderschaft“. Der Blick in das griechische Grammatikheft führt auf ein antikes Schlachtfeld: Blut und Schrecken, Tod und Thanatos, die keine zeitliche Grenze mehr kennen. Schon steht der Zuhörer, gedrängt von schmerzender Wortgewalt, auf dem ewigen Kriegsschauplatz der Welt, wo der Feldherr nicht zu Heldentaten, sondern zum Todesmarsch ruft.
Aus dieser tief gefühlten Verdammnis befreit einen der Autor mit seinem zweiten Text und geleitet zu den mächtigen Wasserfällen Norwegens, in deren Fluten sich Fischpaare finden und sich, unzertrennlich wie die Hochzeiter, auf Lebensreise begeben. Doch auch dieser Weg führt, manchmal steinig, manchmal fließend, schließlich in ein tödliches Ende.
Der dritte Auszug, ein Blick aus dem Küchenfenster in Umbrien, rückt in weiteren Naturbeschreibungen die Renaissancehaftigkeit der italienischen Landschaft in den Mittelpunkt: All das getragen von der hohen Erzählkunst Schuttings, der sich in rhythmischer Raffinesse sowohl auf leise, als auch laute Töne versteht.
Wie der Autor ausführt, seien es dabei nicht die Ortsnamen, die zählen. Eindruck hinterlassen die klaren, konzentrierten Abbildungen, die in schneller Abfolge am Auge des Betrachters vorbeifliegen. Der wilde Ritt lässt den nächtlichen Kaffeehausgänger schließlich atemlos in die gepolsterte Bank zurücksinken und entlässt ihn von einer abendlichen Irrfahrt in eine Nacht, die zum Weiterreisen einlädt.