Crossover mit Verirrungen
LITERATURHAUS / PERFORMANCE
18/01/10 „Wir haben gesehen, wie die Besten unserer Generation bei Dichterlesungen an Langeweile zugrunde gingen“, zitiert Sigrun Höllrigl den Beat-Autor Lawrence Ferlinghetti. - Eine Lesung nur mit Wasserglas, Tischlampe und schwarzem Vorhang sollte es also nicht werden.Von Roman Gerold
18/01/10 Ganz dem neuen alten Trend zum ‚Crossover‘ folgend, sollten vielmehr Performance, Literatur und Visual Art miteinander verschmelzen. Von Fusion Poetry war am Freitag (15.1.) im Literaturhaus die Rede, einmal fiel gar das Wort Multimedia. Das Konzept stammt von Sigrun Höllrigl. Aus vielen guten Ansätzen und mancher Verirrung wurde eine kunterbunte Party mit spätem Höhepunkt.
Für den Literatur-Part hatte Höllrigl fünf leidenschaftliche Autorinnen und Autoren eingeladen, die nacheinander ihre äußerst unterschiedlichen Werke vortrugen. Während Cornelia Travnicek ernste, sprachlich romantizistische Texte präsentierte, performte Doris Mitterbacher (wohlbekannt als Mieze Medusa) Poetry-Slam-taugliche Literatur. Dazwischen gab es humorvolle Aphorismen von Judith Pfeiffer und einen sperrigen, aber reizvollen Text von Sophie Reyer zu hören. Mittelpunkt des Abends war schließlich René Bauer (alias René Monet), dessen österreich-kritische Texte irgendwo zwischen Jandl, Franzobel und Attwenger anzusiedeln sein dürften. Neben der routinierten Mieze Medusa stach er durch eine sehr dynamische Performance mit viel schauspielerischem Gespür hervor.
Für die schwierige Aufgabe der Visuals war das Duo „4youreye“ engagiert worden. Was soll man projizieren, wo es doch eine Spezialität der Literatur ist, dass die Leserinnen und Leser sich selbst Bilder machen können? „4youreye“ bestritt die Herausforderung mit Video-Effekten im Retrostil, schichtete beherzt Found Footage und ließ die obligaten psychedelischen Muster tanzen. Zwischendurch wurde auch ein Live-Bild verwendet. So recht verschmelzen wollten Literatur und Visuals nicht: Allzu oft war die Bildfläche überladen und wirkten die Visuals nicht old-school, sondern überholt und plump. Zu oft störten Text und Bild einander eher, als dass sie sich gegenseitig bereichert hätten. Mehr Schwarzbilder hätten der Reizflut sicherlich gutgetan – dann wären die guten Momente auch besser zur Geltung gekommen.
Absurd erschien auch – angesichts der gebotenen Vielfalt von Schreibweisen und Performance-Ansätzen – die von Höllrigl aus der Poetry-Slam-Kultur übernommene Idee, per Zuschauervoting einen „Publikumsliebling“ zu küren. Das dachte sich auch Fritz Ostermayer (der als grandios eklektizistischer DJ anwesend war), und verweigerte spontan seine Aufgabe als „Urteilsverkünder“, er wolle „nicht vergleichen, was nicht vergleichbar“ sei. Gevotet und ausgezählt wurde trotzdem.
Der eigentliche Höhepunkt des Abends ließ lange auf sich warten: Um ein Uhr nachts gab es eine spontane Performance des frischgebackenen Publikumslieblings René Monet (am Spoken Word) und Fritz Ostermayer (am Handheld-Synthesizer). In einer – im besten Sinne – ziemlich trashigen Improvisation konnte man für einige Momente das echte Potential eines zeitgemäßen Crossovers zwischen Literatur und Performance ahnen. Leider waren die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer da schon nach Hause gegangen.