Kein Platz für Wohlfühlliteratur!
RAURISER LITERATURTAGE / FREITAG / SAMSTAG
09/04/18 Depression, Krieg und Straßenstrich – so könnte man den Freitag Abend der 48. Rauriser Literaturtage zusammenfassen. Gewürzt mit einer Prise Panne und Erkältung kann eine solche Mischung ja nur schief gehen – oder?
VON C. MAIRHOFER UND M. KLINGBEIL
Wenn es schon einmal mit einer Panne losgeht, kann es nur besser werden – dieses Motto bewahrheitete sich am dritten Abend (6.4.) der Rauriser Literaturtage wieder einmal. Wie üblich hätte aus Platzgründen die Übertragung vom Gasthof Grimming in den Gasthof Platzwirt stattfinden sollen, was technische Probleme aber verhinderten. Die nächste Hiobsbotschaft: Mirko Bonné hat keine Stimme! Doch alles nicht so schlimm – zumindest die Übertragung des Tons sollte funktionieren und Mirko Bonné seine Stimme behalten, während er aus seinem aktuellen Roman "Lichter als der Tag" las. Seine gewählten Textausschnitte waren Streiflichter auf die Themen des Romans, der in Erinnerungsschleifen beschreibt, wie es durch ein Gefühl der Verlorenheit, der Übermacht und dem Verlust der Eltern zu einer Schieflage der Gefühle kommen kann. Ruhig und unaufgeregt fesselte er die Zuhörer_innen mit seiner Lesung und der nachfolgenden Besprechung.
Eloquent ging es weiter mit der Lesung von Paulus Hochgatterer aus seinem Buch Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war. Wir lernen Nelli kennen, aber nichts von dem, was wir über sie wissen, ist sicher. Fiktion und Wahrheit werden kombiniert, um Geschichte(n) zu erzählen. Mit seiner wunderbaren Lesestimme ließ der Kinderpsychiater die letzten Kriegstage, die er in seinem Buch beschreibt, aufleben und hielt in der anschließenden Besprechung ein Plädoyer für die Kinderperspektive, deren selbstbewusste, oft zweifelnde Klarheit er hervorhob.
Der dritte und letzte Teil des Abends begann mit einer ungewohnt langen und ungewohnt inszenierten Lesung aus Lana Luxʼ Debütroman "Kukolka". Darin beschreibt sie aus der gewollt naiven Perspektive eines jungen Mädchens die Zustände auf dem ukrainischen Straßenstrich, die die Protagonistin schließlich nach Deutschland führen. Die kindliche Vortragsweise wurde dem stilistisch eher dürftig geratenen und vor allem von Fäkalsprache strotzenden Werk zwar gerecht, machte das Zuhören allerdings relativ anstrengend. Ein Highlight des Abends war die musikalische Untermalung, für die das Trio Negro mit einem Potpourri südamerikanischer Musik sorgte.
Thematisch heiterer wurde es am Samstag Vormittag, der in Rauris traditionell für Lyrik reserviert ist. Den Anfang machte dieses Jahr Thomas Kunst, dessen aus verschiedenen Stilrichtungen stammende Gedichte unter dem Titel Kolonien und Manschettenknöpfe erschienen sind. Humoristisches über Ameisen steht in einer Reihe mit einer Hommage an eine Mutterfigur, in langen und kurzen Gedichten werden Verbindungen gesucht, wo keine sind, und Neues wird in vertrautes Licht gerückt.
Ähnlich auch bei der Lyrikerin Margret Kreidl, die einige Gedichte aus "Zitat, Zikade" vortrug. Kern ihrer Gedichte, die im Buch neben Kurzessays, Listen und Versuchsreihen stehen, sind Fußnoten, die einerseits ein Augenzwinkern in Richtung wissenschaftliches Arbeiten seien, andererseits aber auch Quellenangaben für neugierige Leser_innen zum Nachlesen darstellen, wie die Zuhörer_innen dem im ruhigen Plauderton geführten Gespräch mit Tomas Friedmann entnehmen konnten.
Den Abschluss des Vormittags bildete die Lesung von Oswald Egger, dessen Vortragsweise das Publikum durch ihre Lebendigkeit in Bann zog. Seine lyrische Prosa, mit der er auch im neunen Band "Val di Non" sein Können unter Beweis stellt, legt Wert auf Sprachmelodie und Wortspiele – es entsteht ein Sprachspiel, auf das keine Gattungszuschreibung so richtig passen mag.
Die von Mirko Bonné beschriebene „Volte ins Licht“ konnten die Besucher_innen der Literaturtage im Anschluss selber vollführen, indem sie in der Mittagspause das schöne Wetter genossen.