Von den Zeichen unserer Welt
RAURISER LITERATURPREIS / FÖRDERPREIS
07/02/17 Senthuran Varatharajah ist Träger des mit 8.000 Euro dotierten, vom Land vergebenen Rauriser Literaturpreises 2017. Den Rauriser Förderungspreis in der Höhe von 4.000 Euro erhält Mercedes Spannagel.
Senthuran Varatharajah, geboren 1984 in Sri Lanka, bekommt den Rauriser Literaturpreis für sein 2016 im Verlag S. Fischer erschienenes Romandebüt „Vor der Zunahme der Zeichen“. Er habe damit „eines der herausragenden Bücher dieses Jahres“ geschrieben, befand die Jury (Stefan Gmünder, Gesa Schneider, Insa Wilke). „Mit ethnologischer Genauigkeit seziert er durch die permanent scheiternde Verständigung zwischen zwei Menschen, die in ihren Biographien außen und innen vereinen, das Zeichensystem der westlichen Welt. Mit großer Intensität arbeitet er die Asymmetrie zwischen der Erfahrung, betrachtet und festgeschrieben zu werden, und der Differenziertheit der eigenen Welt- und Selbsterfahrung heraus. Die Raffinesse, mit der er die Form des philosophischen Dialogs in eine scheinbar literatur- und reflexionsferne Kommunikationsform wie die des Facebook-Messengers übersetzt, beeindruckt ebenso wie die Genauigkeit von szenischen Mikroerzählungen und Motivverfl echtungen. Sprachkritik und präzise Wahrnehmung verbinden sich zur radikalen Forderung an die Leserinnen und Leser, ihre Sicherheit in der Sprache und der Welt zu überdenken und infrage zu stellen.“
Senthuran Varatharajahs lebt in Berlin. Seine Familie floh in den 1980er Jahren vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Deutschland,. Er studierte Philosophie, evangelische Theologie und Kulturwissenschaft in Marburg, Berlin und London.
Sehr jung ist noch die diesjährige Förderpreisträgerin: Mercedes Spannagel ist Jahrgang 1995, sie ging in Salzburg zur Schule und studiert nun in Wien. Ihr Text zum vorgegebenen Thema „Unter die Haut“ trägt den Titel „Wie es klingt, wenn es quietscht“. In der Jury saßen Karin Buttenhauser, Bernhard Judex und Ulrike Längle. „Das Hybride ist eine Signatur unserer Zeit“, schreiben sie in der Jurybegründung. In der Kurzgeschichte von Mercedes Spannagel treten jugendliche Fechterinnen und Fechter auf, Mischwesen zwischen Menschen und „glänzenden Weltraumrittern“. In einer Reihe von Einzelszenen wird ein Kammerspiel zwischen den ,Jungs‘, den beiden Mädchen Ree und Carmen und dem Trainer inszeniert, bei dem in scheinbar leichter, spielerischer Form ein ernstes Thema verhandelt wird: Ree hat ein Bein verloren und trägt eine Prothese aus Silikon und Carbon, als sie zum ersten Mal wieder zum Fechttraining erscheint. „Die psychologischen Beziehungen zwischen den Figuren und vor allem die Befindlichkeit von Ree werden nicht plakativ zur Schau gestellt, sondern subtil angedeutet und bleiben vieldeutig“, so die Jury. „Dieser meisterhaft erzählten Kurzgeschichte gelingt es, mit minimalistischen erzählerischen Mitteln Spannung aufzubauen und die Phantasie des Lesers und der Leserin zu eigenen Interpretationen anzuregen.“ (Literaturtage Rauris)