Eindeutig gool
BUCHBESPRECHUNG / OIDA - DER GENERATIONEN-DOLMETSCHER
15/11/10 Schon beim ersten Durchblättern wird klar, dass dieses Buch aus der schreiberischen Ecke von Jugend- und Sozialarbeitern kommt und nicht aus der Linguisten-Branche. Das ist gut und zugleich weniger gut.
Von Reinhard Kriechbaum
Wenn junge Leite "Oida" sagen, dann meinen sie nicht ein betagtes Gegenüber - sonst nämlich täten sie "Grufti" verwenden oder gar "Komposti". Zu letzterem Wort versagt sich die Buch-Redaktion einen Kommentar. Freundlicher jedenfalls ist "Uhu" - Kürzel für "unter Hundert", ein ironischer Seitenhieb auf Ü-30. Also nicht wirklich dramatisch auf der nach oben offenen Senioren-Skala. Dass ein Pensionist auch unter "Grabverweigerer" läuft, ist in Zeiten wie diesen, da Sozialkosten und die Finanzierbarkeit von Pensionen schielen, eine durchaus entlarvender, womöglich gar bedrohlicher "Nickname". Da schon besser "Ilse Turnschuh", zu der wir 50Plus-Leute vielleicht noch "flotter Käfer" sagen würden.
"Szene"-Wörterbücher gibt es viele. Das Buch "Oida" will diese Kategorie nicht bereichern. Es ist assoziativ aufgemacht, bündelt einschlägige Begriffe und ihre Erklärungen nach Stichwörtern, Anlässen oder Anwendungsmöglichkeiten. Manchem mag die Jugendsprache im Prinzip genau so fremd sein wie jene alter Leute: Wenn einer an einem Pfingsta (Donnerstag) oder einem anderen Weritag (Werktag) zum Krampen (zur Hacke) greift, um im Wurzgarten (Bauerngarten) zu arbeiten, brauchen viele Jüngere ebenfalls schon einen Generationen-Dolmetscher. Vielleicht hilft es, die Szene vom Schroud (Balkon) aus zu beobachten, um Klärung zu schaffen.
Die "ARGE Miteinander reden" hat dieses Buch herausgegeben. Es verleitet zum Querfeldeinlesen, denn es ist deutlich mehr als eine Vokabelsammlung. Mit dem Alphabet fängt man nicht viel an. Zu den Wort-Gruppen gibt es Erinnerungen alter Leute, vertiefenden Lesestoff zur Jugendkultur, Porträts von mehr oder auch weniger interessantern Menschen (wobei die Einschätzung vermutlich sehr mit dem Alter der Lesenden zu tun hat). Da waren also viele ambitionierte Autorinnen und Autorinnen am Werk. Sie haben ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit Jugend- und Alterssprache eingebracht. Ob man ein Textschmankerl über die "Rote Elektrische" wirklich in einem solchen Buch sucht, ist die Frage. Gelegentlich hat man den Eindruck, dass reichlich viele Köche am Werk waren.
Aber unwillkürlich wird man hineingezogen ins Spannungsfeld zwischen den Generationen, das durch die Bank positiv gedeutet wird. "Oida" ist ein Buch, das manche Überraschung bietet wegen seiner "Sprach-Chamäleons". Das Wort "Ficken"? "Austricksen, linken, betrügen" ist ein Bedeutungsfeld, "Erwischt werden" ein anderes. "Angefickt sein" meint sich ordentlich ärgern und "Abficken" meint, jemanden im Stich lassen. War da nicht noch was?
Und wie ist das nun mit "Oida"? Es betont das Gesagte. Scheint wohl das Amen im jugendlichen Sprachgebet zu sein.