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Aus dem braunen Salzburger Sumpf

BUCHBESPRECHUNG / ZWERGLGARTEN-PAVILLON

08/08/23 Man muss schon zwei Mal oder noch öfter hinschauen aufs Buchcover: Ja, dieser Pavillon für die Kunst ist tatsächlich jener im Zwerglgarten. Aber er hat einst ganz anders ausgesehen. Weiß gefärbelte Wände anstatt düsterer Holzvertäfelung, und am Beginn gab's nicht mal Glasscheiben.

Von Reinhard Kriechbaum

Er ist der vermutlich ungeliebteste von allen Ausstellungsräumen in der Stadt Salzburg: der Museumspavillion im Zwerglgarten. Mehr als peinlich, dass dieses jetzt von außen recht unansehnlich wirkende Gebäude ausgerechnet für den Bildhauer Josef Thorak, einen von Hitlers Künstler-Lieblingen, entstanden ist. Und auch der Architekt Karl Mayr (1902-1979) war alles andere als unbefleckt von brauner Parteitünche.

Der Stadtgalerie-Leiterin Gabriele Wagner, zu deren Portfolio auch der Zwerglgarten-Pavillon gehört, hatte also guten Grund, auf eine solide historische Aufarbeitung und baukünstlerische Wertung zu drängen. Das Ergebnis ist dieses Buch von dem an der TU Graz als Professor für Architekturtheorie lehrenden Anselm Wagner. Es ist deutlich mehr geworden als eine Bau-Analyse. Vor allem ging es darum, die Biographie eines heute völlig vergessenen Salzburger Architekten zu rekonstruieren. Das Leben des Karl Mayr, seine Verbindungen zu Thorak, der mehr als problematische Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten, die eigenwilligen politischen Allianzen bedingt durch den Kalten Krieg: All das ergibt, auf engem Raum anschaulich gemacht, eine Art zeitgeschichtliches Sittenbild.

Karl Mayr also. Gerade ein Porträtfoto von ihm hat sich gefunden, und das ist verpixelt. Erst hat er an der Staatsgewerbeschule am Rudolfskai bei Wunibald Deininger (dem Architekten des Kiesel-Gebäudes) gelernt. Dann war er einer der ersten Studenten in der Meisterklasse des jungen Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seine Abschlussarbeit: ein tollkühner Entwurf für ein riesiges Berghotel auf 2260 Metern Seehöhe auf dem Großglockner. Weit über achthundert Zimmer für zweitausend Gäste mit Garagen für dreihundert Autos – und das wohlgemerkt 1929 – da war die Glocknerstraße noch pure Utopie. In den Salzburger Medien wurde das Projekt diskutiert. „Die Entwicklung Mayrs und seiner hervorragenden Fähigkeiten geben berechtigte Hoffnung für eine erfolgreiche Laufbahn“, konnte man da etwa lesen.

Der Weg führte Karl Mayr aber erst nach Wien, dann nach Berlin und schließlich in eine kleine Industriestadt in Oberschlesien, Gleiwitz (heute das polnische Gliwice). Dort hat er die Christus-König-Kirche gebaut, der noch heute ein gewisser architekturhistorischer Stellenwert zukommt. Das war's aber auch schon.

Zurück in Salzburg, gab's für Mayr keine großartigen Aufträge. Eine kurze Phase als Landesbaudirektor fand ein jähes Ende, weil er seine NSDAP-Mitgliedschaft verheimlicht hatte. Für solche wie ihn entwickelte sich die politische Lage freilich mehr als günstig. Mayr wurde politischer Mandatar beim Verband der Unabhängigen (VdU), der FPÖ-Vorgängerpartei aus ehemaligen Nationalsozialisten und Heimatvertriebenen. Diese wurden – als gleichsam natürliche Kommunistenfeinde und potentielle Wählerstimmen – von SPÖ und ÖVP gleichermaßen umworben. Die Parteigründung 1949 gerade in Salzburg kam nicht von ungefähr, hatte Salzburg mit 9,2 Prozent der volljährigen Bevölkerung doch die zweithöchste Zahl von NSDAP-Mitgliedern aufzuweisen.

Naheliegend also auch Mayrs Kontakt zu Josef Thorak. Für ihn und jene Schau, in der Thorak ideologisch rehabilitiert hätte werden sollen, entwarf Mayr den Museumspavillon. Es war eine große Skulpturenschau auch open air im Zwerglgarten. Der Kopernikus steht ja immer noch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Pavillon. So erklärt sich auch die ursprünglich luftige Anlage des Pavillons, ohne Fensterverglasung.

Die Thorak-Schau war ideologisch aufgeladen, präsentierten doch die Amerikaner ihrerseits im nahen Kurgarten eine große Landwirtschafts- und Industrieausstellung des European Recovery Program (ERP), besser bekannt unter dem Namen Marshallplan. Ebenfalls in einer Ausstellungsbaracke. Anselm Wagner dröselt im Buch einige politische Schachzüge auf, wie beispielsweise der VdU-Vizebürgermeister und Kulturreferent Karl Schneider-Manns Au Stimmung machte für Thorak. Ein Sittenbild aus dem braunen Salzburger Sumpf eben... Und das macht dieses Buch spannend, weit über die Betrachtungen zum Museumspavillon selbst hinaus.

Anselm Wagner: Ein Pavillon für die Kunst im Salzburger Mirabellgarten. Deutsch mit englischen Summaries. 112 Seiten, 25 Euro. Verlag Müry Salzmann, Salzburg/Wien 2023 – www.muerysalzmann.com

Buchpräsentation morgen Mittwoch (9.8.) um 18 Uhr im Museumspavillon

 

 

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