Obstbaum-Flüsterer und Raupen-Gegner
TAURISKA / BUCHBESPRECHUNG
13/11/20 „Wasser, in dem Krebse oder Fische gelegen sind, ist dafür gut geeignet. Man besprenge die Bäume reichlich mit dem stinkenden Fleischwasser, die Raupen werden daraufhin schleunigst die Flucht ergreifen.“ Bevor Raupen einem Apfelbaum schaden können, muss dieser wachsen. Starfhilfe geben „Kerne von gesundem, wohlausgezeitigtem Obst“.
Von Heidemarie Klabacher
Heute ist Tag des Apfels. 5500 Tonnen Äpfel wurden im Bundesland Salzburg geerntet, vermeldet die Landeskorrespondenz zum Festtag des Lieblingsobsts der Österreicher und Österreicherinnen. Das klingt bescheiden, verglichen mit durchschnittlich 200.000 geernteten „Apfel-Tonnen“ in der Steiermark oder gar 950.000 in Südtirol.
Aber Klasse geht vor Masse. Und seit jeher ein Hotspot von Apfel-Kunst und -Kultur ist der Pinzgau. Erinnert sei an das Pomarium, den Obstlehrgarten, in Bramberg. Im Tauriksa Verlag, Sitz in Neukirchen am Großvenediger, erschienen ist diesen Sommer eine literarisch-gartenbautechnische Rarität: Der Obstgarten im Gebirge aus der Feder des 1759 in Niedernsill geborenen Jacob Schranz. Dieser hat seine „Anweisung zur fruchtbaren, ertragreichen Obstbaumzucht“ 1835 herausgebracht: „Meine Unterweisungen in Sachen Obstbau fußen auf Erfahrungen, die ich über fünfzig Jahre lang gesammelt habe“, schreibt der Autor und Niedernsiller Schlosserbauer, der sein Buch „vor allem den jungen Menschen“ gewidmet hat.
Die in Rauris lebende Autorin Susanne Rasser hat den Obstgarten im Gebirge bearbeitet und „in eine zeitgemäße Sprache“ übertragen, ohne den Originaltext seiner reizvollen sprachlichen Patina zu berauben. „Der Autor des hier vorliegenden Buches lebte zu einer Zeit, in der Österreichs Kaiserin Maria Theresia das Zepter in Händen hielt“, heißt es im Klappentext. „Der im Pinzgau beheimatete und weit darüber hinaus wirkende Jacob Schranz war Bauer, Buchautor, Obstbau-Lehrer, Vordenker, Wegbereiter und vielleicht auch so etwas wie ein ganz besonderer Naturschutzaktivist, ein Obstbaum-Flüsterer der ersten Stunde.“
Das Gießen, Düngen, Beschneiden, Versetzen und vor allem das Veredeln der Bäume werden anschaulich beschrieben. Wie der Autor gleich zur Sache kommt, seinen Text beim Kern beginnt, oder gar schon im Vorwort ankündigt, zeigen zu wollen, „wie man zu guten Pelzzweigen kommt“ ist einfach hinreißend. Selbst die Unkundige zweifelt nicht länger daran, dass die „sorgfältige, bedachte Auswahl von guten passen Pelzzweigen im Obstbau etwas vom Allerwichtigsten“ ist. Wie man mit stinkigem Wasser gegen Raupen kämpft, steht ganz oben in der Einleitung. Wenn der Baum seinem Kern entwachsen ist (zum Versetzen der kleinen Pflänzchen vom Topf ins Beet bitte einen Esslöffel verwenden) helfen gegen Ameisen, die auf das reife Obst losgehen wollen, papiererne Stanitzel oder Trichter. Diese werden „mit der Öffnung abwärts“ um das Stämmchen geklebt oder gebunden.
Ein Nachwort von Josef Wesenauer, dem Landesobmann des Obst- und Gartenbauverbandes Salzburg sowie ein Verzeichnis aller Obst- und Gartenbau im Bundesland ergänzt die kleine feine Rarität.