Aus dem weiten Land Musik-Geschichte(n) schöpfen
SNOW JAZZ GASTEIN
27/03/12 Wo steht die Tradition, was ist „modern“, wohin bewegt sich der Jazz zwischen E- und U-Musik? – Das Jacky Terrasson Trio am letzten Abend des Snow Jazz Gastein 2012 - The New York City Edition - im Sägewerk.
Von Thomas Hein
Wo in der Frühzeit des Jazz dieser als Synonym für populär galt und in seiner Bedeutung der heutigen Popmusik entsprach, entstand auch das große American Song Book, Melodien, die großteils den Broadwaystücken entstammten und die bei den Konzerten bis heute das gemeinsame Gefühl der amerikanischen Unterhaltungsmusik verkörperten. Dazu kamen Komponisten und Bandleader, die dieses Songbook mit ihren Stücken ergänzten und die heute zu diesem musikalischen Zeitbild gehören, wie zwei sehr berühmte von Duke Ellington, „Take The A-Trane“ und „Caravan“ oder Thelonius Monks „Round Midnight“, die in Jacky Terrassons langem Reigen auf großartige Weise wieder einmal ihre Leuchtfähigkeit zeigen durften. Was fast ungewohnt romantisch und langsam solistisch am Klavier begann, steigerte sich bald in sein von ihm gewohntes rasantes, gleichzeitig auch sehr komplexes, die Stücke fein säuberlich zerlegend und sie wieder auf ungewohnte Weise zusammensetzendes Spiel. Da finden sich auch zahlreiche Anspielungen aus Popsongs wie etwa Michael Jacksons „Beat It“, mit denen Terrasson sein „Liederbuch“ ergänzt. So erweitert sich das alte „Real Book“ Schritt für Schritt um die moderne Popliteratur, von Madonna bis ABBA, von Lennon/McCartney und Joni Mitchell bis Cyndi Lauper oder Amy Winehouse, wodurch der Jazz auch wieder ein neues junges Publikum, das mit einem anderen Song-Hintergrund aufgewachsen ist, zu erreichen vermag.
Der seit einigen Jahren in Paris lebende amerikanische Pianist Jacky Terrasson gastierte nach seinem Duo mit Michel Portal beim Paris-Schwerpunkt diesmal mit seinem französischen Trio (mit dem Bassisten Stéphane Kerecki und dem ebenfalls in Paris lebenden, aus Baton Rouge, Lousianna stammenden Drummer Jeffrey Boudreaux). Was dieses Trio auszeichnet, ist der leichte Umgang mit den Melodien und deren Partikeln, sie zu betrachten, neue Verbindungen zu ähnlichen Stücken zu entdecken, Tradition mit modernen Spieltechniken und Klangauffassungen ein wenig umzudeuten und doch nicht damit zu verstören. Die Musik geht irgendwie „gut ins Ohr“, da passen auch manche Quertöne durchaus ins Bild, alles verbunden durch Terrassons verblüffende Geschwindigkeit, mit der seine Finger über das Klavier turnen, ohne den durchgehenden, vorausblickenden roten Faden zu verlieren.
Stéphane Kerecki überzeugte mit seinem - sowohl begleitenden als auch solierenden - modernen Spiel, damit fiel Jeffrey Boudreaux die Hauptaufgabe zu, das umfangreiche Material mit klaren und manchmal harten Strichen zu strukturieren.
Wer also fragt da, ob E oder U ? Werner Pirchner nannte das einst ganz locker EU, dort gibt es ja bekanntlich ein sehr buntes Musikland namens Italien, im kommenden Jahr wird die Snow Jazz Reise dorthin gehen.
An den zehn Festivaltagen zählte man in 13 Abendkonzerten und einem Jazzbrunch 2717 Leute, bei den neun Tageskonzerten auf Skihütten weitere 4550 Gäste, insgesamt also 7217 Besucher. 67 Musiker sind in diesen Tagen aufgetreten.