Familien-Arbeit für die Winterzeit
HINTERGRUND / HALLEIN / HOLZSPIELZEUG
15/10/19 Der Arschpfeiferlreiter ist ein markantes Stück: ein handspannengroßes hölzernes Pferd auf Rädern „mit einem Pfeiferl im Arsch“, wie es in der Mozart-Korrespondenz einmal heißt. Warum ist ausgerechnet Hallein (neben Berchtesgaden) zu einem Zentrum der Holzspielzeug-Erzeugung geworden?
Der Salinenbetrieb, das Trocknen des Salzes, verschlang Unmengen von Holz. In der kalten Jahreszeit aber hatten die Forstarbeiter saisonbedingt kein Einkommen. Bereits seit dem 16. Jahrhundert erzeugten die Familien der Bergarbeiter verschiedene Produkte in Heimarbeit. „Das Dilettantische, Handgemachte zeigt in rührender Weise, wie sich die Schnitzer bemüht haben, etwas Geld dazu zu verdienen, obwohl manche vielleicht nicht ganz so talentiert waren“, sagt die Leiterin der Kulturvermittlung im Keltenmuseum, Barbara Tober.
Am Ende des 18. Jahrhunderts übernahmen Verleger die Verteilung des Rohmaterials an die Heimhandwerker und den Verkauf der fertigen Produkte. Die Familie Oedl stieg am 20. Mai 1794 in den Holzwarenverlag ein. In Hallein stellten nebenerwerbliche Schnitzer nach Vorlagen Holzspielzeug, Spanschachteln und „Galanteriewaren“ (Hausrat, Schmuck usw.) her. Die Firma Oedl hatte auch eigene Werkstätten für die Produktion. Zur besseren Ausbildung der Holzschnitzer beschloss die Stadtgemeinde Hallein am 1. Dezember 1870 die Gründung einer „Holzfiguren-Schneide-Lehranstalt“. Daraus entwickelte sich die heutige HTL-Hallein. Im Stadtarchiv Hallein zeugen Lieferadressbücher, Preis- und Warenlisten, Briefe und Bilanzen von den Exporten und der Wirtschaftsgeschichte des Spielwarenverlags. Zunehmende Mechanisierung, Blechspielzeug und Konkurrenz bewirkten eine Einstellung der Produktion von Holzspielzeug in Hallein kurz vor 1930.
Besonders beliebt war bewegliches Holzspielzeug mit Kurbelantrieb wie Schmiedhammer, Blasbalgvögel, Gredl (Tanzende Puppen), Hühnersteigen, Grillenhäusel, Trommelschlager oder Klimperkästen. Die Halleiner Kurbelkästchen ähneln stark den Fabrikaten aus dem Erzgebirge. Auch dort beschäftigten sich Bergmänner mit Holzarbeiten. Wohlhabend wurden überall nur die Verleger und nicht die Erzeuger. Im 19. Jahrhundert gab es keinen Musterschutz (Copyright) auf die Produkte. Deshalb ist die Zuordnung der Produktionsorte der Holzspielwaren oft schwierig, denn ähnliche Spielwaren produzierte man auch in Berchtesgaden, Gröden und im Erzgebirge.
Bei Lieferengpässen gaben Verleger Muster an andere Erzeuger und Verleger weiter, um die Nachfrage zu befriedigen. Auch Halbfabrikate wurden zwischen den Orten getauscht. Musterbögen dienten als Vorlage für die Hersteller. Für die Halleiner Produktion sind 28 aquarellierte Musterbögen, sogenannte Tabellen, im Besitz der Familie Oedl erhalten.
Wegen der starken Konkurrenz anderer Manufakturen spezialisierte sich die Halleiner Manufaktur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die Nachbildung von Wiener und Linzer Verkehrsmitteln. Die feinen Wagen, Kutschen und Kaleschen wurden sogar auf der Londoner Weltausstellung 1851 prämiiert. Später kamen Nachbauten von Tramways dazu.
Die Holzwaren transportierte man auf Frachtplätten über Salzach, Inn und Donau nach Wien. Als Verpackung dienten Holzfässer und Kisten. Von Wien gelangten die Waren weiter in den Osten nach Ungarn und bis in die Levante. Über Bayern erfolgten die Lieferungen nach Westen bis nach Paris. Wagen oder Schlitten dienten als Transportmittel nach Böhmen und Mähren. Die Eisenbahn ersetzte später die Schiffe.
Zwei Importbeschränkungen begünstigten den Standort Hallein: Maria Theresia verbot 1756 den Warentransport von Berchtesgaden nach Wien. Joseph II veranlasste 1787 das Einfuhrverbot von Holzspielwaren aus Berchtesgaden zum Schutz der heimischen Erzeuger. Als Salzburg 1816 zu Österreich kam, fielen die Zollschranken weg und es konnte ungehindert ins Habsburgerreich geliefert werden. Die Nachfrage war groß. Die Warenwerte der Schiffstransporte aus den Jahren 1838 bis 1843 erreichten die stolze Summe von durchschnittlich 19.000 Gulden. Ein Lieferadressbuch aus der Zeit um 1900 enthält etwa 390 Kunden an 122 Orten im Gebiet der heutigen Staaten Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Russland, Slowenien, Kroatien, Serbien, Rumänien, Italien, Schweiz, Deutschland und Frankreich. (Keltenmuseum/dpk-krie)