Echt ein Oscar-Favorit?
IM KINO / SILVER LININGS
08/02/13 Was ist schlimmer als der x-te Aufguss des klischeebeladensten aller Filmgenres – der romantischen Komödie? Eine romantische Komödie, die vorgibt, gar keine zu sein. „Silver linings“ hält trotzdem acht Oscar-Nominierungen, darunter eine für den besten Film.
Von Andreas Öttl
David O. Russell’s Film ist zwar weder besonders romantisch noch besonders lustig, hält sich aber ansonsten an das alte, seit Screwball-Comedy-Zeiten bewährte dramaturgische Grundgerüst. So wirkt das ganze zwar auf dem ersten Blick durchaus originell, könnte aber bei genauerem Hinsehen durchaus auch einem feuchten Traum des amerikanischen Drehbuch-Papstes Syd Field entsprungen sein.
Der Hauptunterschied zu den generischeren Genre-Vertretern ist die mentale Verfassung der beiden Protagonisten. Beide sind – passend zum Status Amerikas nach 9/11 – angeschlagen, labil und durch Schicksalsschläge der unschuldigen Leichtigkeit des Seins beraubt. Der von Bradley Cooper verkörperte, an einer bipolaren Störung leidende ehemalige Lehrer Pat ist eine Variation des im neueren US-Kino immer wieder vorkommenden Kind-Mannes. Figuren wie diese sind symptomatisch für das veränderte Männerbild im Hollywood-Kino: Der ewig lächelnde „clean-cut all-american white male“ ist out – schräge, aber sympathische Loser sind in.
Die von Jennifer Lawrence verkörperte Jung-Witwe Tiffany ist nicht zuletzt aufgrund der starken Schauspielleistung die interessantere Figur. Ihr Golden Globe-Gewinn ist daher durchaus berechtigt, denn der talentierten Jung-Mimin gelingt es, eine trotz ihrer Jugend reife und vom Leben gezeichnete Frau glaubhaft zu verkörpern. Hinter ihrer harten Fassade verbirgt sich eine stille Verzweiflung, die auch beim Zuseher für einige emotionale Momente sorgt.
Doch abseits dieser durchaus einfühlsam inszenierten Szenen springt der Funke nur selten über. Kitsch gibt es zwar in dieser Romanze zweier Außenseiter kaum, Magie und wahre Leidenschaft aber auch nicht. Vielmehr plätschert der Film ohne große Höhepunkte vor sich hin und auf das dann doch sehr vorhersehbare Ende zu. Die realitätsnahen Charaktere und die mit Klasse-Schauspielern wie Robert de Niro besetzten Nebenrollen bürgen zwar für eine gewisse Qualität, dennoch muss man am Ende die kritische Frage stellen: wenn solch ein netter, aber bei aller Liebe nicht großartiger Film über das Tabuthema psychische Krankheit schon als Oscar-Favorit aufgebaut wird, wie krank ist dann erst die amerikanische Filmindustrie?