Es ist niemals „nur“ ein Film...
IM KINO / THE DARK KNIGHT RISES
27/07/12 Bei einer Premiere des neuen Batman-Films „The Dark Knight Rises“ am 20. Juli in Denver tötet ein 24jähriger Ex-Student 12 Menschen und verletzt 38 schwer. Der Attentäter hat die Jahre bunt gefärbt wie der „Joker“ und trägt eine Gasmaske wie der aktuelle Batman-Bösewicht „Bane“. Auch in seiner mit einer Sprengstoff-Falle präparierten Wohnung finden die Ermittler Fan-Utensilien aus den Batman-Filmen…
Von Andreas Öttl
Diskussionen darüber wer nun die „Schuld“ an dieser Bluttat trägt, sind eigentlich obsolet, vom amerikanischen Waffengesetz einmal abgesehen. Genauso wenig wie es falsch wäre, Computerspielen und Filmen die alleinige Verantwortung zuzuschieben, genauso falsch wäre es, diese völlig aus jener zu entziehen. Die Beziehung zwischen Gesellschaft, Filmen und Publikum wird immer eine wechselseitige bleiben: Filme reflektieren über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, beeinflussen diese aber auch, indem sie Identifikationsfiguren schaffen. Und dies sind beileibe nicht immer die eigentlichen „Helden“.
Kein anderes Medium hat durch die Scheindarstellung von Realität eine so starke suggestive Wirkung wie der Film und gerade junge Menschen mit noch nicht ausreichend starker Persönlichkeit sind dafür noch sehr empfänglich. Und selbst ein abgebrühter Zyniker wird nicht bestreiten, dass man die Welt nach einem Film von Frank Capra oder Steven Spielberg mit anderen Augen betrachtet, als nach einem von David Fincher oder Christopher Nolan.
Es ist also gewiss kein Zufall, dass der Amoklauf genau bei diesem Film passiert ist. „The Dark Knight Rises“ zeichnet ein pessimistisches, mitunter vernichtendes Bild einer dekadenten, völlig außer Kontrolle geratenen (amerikanischen) Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft. Während der 165 an der Substanz zehrenden Minuten gibt es kaum jemanden, der einmal lächelt. Mit Ausnahme des großartigen Alt-Stars Michael Caine, dem die besten Szenen des Films gehören.
„Why so serious?“ war im zweiten Teil der Trilogie noch das Motto des Jokers, und dieses Mal könnte er auch Regisseur Christopher Nolan gemeint haben. „The Dark Knight Rises“ ist wie schon der Vorgängerfilm kühl, hart und ernst, ohne jedoch dessen enorm dichte Atmosphäre zu haben. Größer ist eben nicht immer besser. Vor allem der von Tom Hardy dargestellte dumpfe Bösewicht Bane ist im Gegensatz zur Heath Ledgers oscargekrönter Darstellung des Jokers weit weniger charismatisch. Neuzugang Anne Hathaway weiß zwar als „Catwoman“ durchaus zu gefallen und hat einige gute Momente, bleibt aber nicht viel mehr als schmückendes Beiwerk.
Zweifellos ist der Film wie – schon zuvor „The Dark Knight“ – intelligent, moralisch komplex und realistisch wie kein anderer Superhelden-Film zuvor. Die Grenzen des Genres werden jedoch nicht weiter ausgelotet, denn gerade im letzten Drittel greift das Drehbuch auf Hollywood-Konventionen zurück. Hier hätte man sich noch mehr Radikalität gewünscht, vor allem aufgrund der Tatsache dass Christopher Nolan nach dem Erfolg der ersten beiden Filme die in Hollywood seltene kreative Kontrolle hatte. Die diversen Anspielungen auf die Finanzkrise und die „Occupy Wallstreet“-Bewegung sind zwar bemüht, wirken aber oft zu aufgesetzt. Letztendlich bleibt der Film ein überdimensioniertes Spektakel, dem es an wahrer Größe (und Herz) mangelt.
Bei all dem stellt sich die Frage: Wo hört die Unterhaltung auf und wo beginnt der Masochismus? „The Dark Night Rises“ ist jedenfalls ein Blockbuster, bei dem man – nicht nur aus Respekt vor den Opfern von Denver - auf das Popcorn besser verzichten sollte.