Was bleibt, wenn man Coolness subtrahiert?
NEU IM KINO / LES AMOURS IMAGINAIRES
30/05/12 Wenn ein erst 23jähriger Regisseur nach nur zwei Filmen hymnisch gefeiert und mit Wong Kar-Wai, Pedro Almódovar und Francois Ozon verglichen wird, so ist zunächst einmal Skepsis angebracht. Wenn dann noch Jean Cocteau und der Geist der Nouvelle Vague herauf beschworen werden, ist endgültig Hype-Alarm angesagt.
Von Andreas Öttl
Im Falle des kanadischen Wunderknaben Xavier Dolan sind ausnahmsweise einmal sämtliche Vorschusslorbeeren berechtigt. Wobei man ganz klar sagen muss: Der einzige Regisseur mit dem man Xavier Dolan vergleichen kann ist – Xavier Dolan. Sein Stil, eine Art überhöhter Realismus, der vor extremen Stilisierungen nicht zurück schreckt, sucht im ist aktuellen Weltkinoseinesgleichen. Dazu kommt die unbändige Energie seiner Jugend. Wenn also jemand den Glauben an ein neues, frisches Kino wieder herstellen kann, dann Xavier Dolan.
Während sein aktueller Film „Laurence Anyways“ aktuell in Cannes gezeigt wird, ist in den hiesigen Kinos mit einiger Verspätung sein zweiter Film „Les Amours Imaginaires“ (Herzensbrecher) zu sehen. Im Vergleich zu seinem Aufsehen erregenden, im Alter von 19 Jahren realisierten Regiedebüt „J’ai tué ma mère“ wirkt dieser vor allem auf der formalen Ebene noch reifer und stimmiger.
Es geht um eine Ménage-à-Trois, in deren Verlauf der Regisseur die Liebe als Spiel ohne Gewinner inszeniert, dabei jedoch auch die unerträgliche Leichtigkeit des Seins feiert. Quasi „Jules und Jim“ fürs 21. Jahrhundert.
Xavier Dolan selbst spielt eine der Hauptrollen, und das Multitalent ist auch für Drehbuch, Produktion, Schnitt und Kostümdesign verantwortlich. Diese Art der Selbstdarstellung könnte man als narzisstisch auslegen, wäre der gesamte Film nicht von einer feinen Prise Ironie durchzogen. Trotz einiger semi-dokumentarischer Interviews mit Vertretern seiner Generation ist der Film auch nicht wirklich als ernsthafte Analyse moderner Liebesbeziehungen zu betrachten. Zu sehr huldigt der Regisseur seiner zeitlos chicen Retro-Welt, in der es keine Mobiltelefone und Computer zu geben scheint – und schon gar keine hässlichen Menschen. Dabei entlarvt er aber schonungslos die eine Sache, welche die Mittzwanziger unserer Tage eint: den Hang zur Oberflächlichkeit. Diese wird vom Regisseur sowohl zelebriert als letztendlich auch parodiert. Und implizit stellt er dabei die Frage: was bleibt von dieser Generation, wenn man Coolness subtrahiert?
Paradoxerweise funktioniert „Les Amours Imaginaires“ gerade auf der oberflächlichen Ebene sehr gut. Farbfilter, Zeitlupen, extreme Kameraperspektiven, originelle Einfälle und liebevolle Details in den Bildkompositionen. Das alles ist einfach wahnsinnig schön anzusehen und auch die musikalische Untermalung, die von Elektro-Pop bis zur Barock-Klängen reicht, trägt ihren Teil zur verträumten Atmosphäre bei. Alles ist bunt und wunderbar! Und das sollte in einer Welt, in der Schönsein genügt, ja zum Glücklichsein ausreichen.