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Lieben Sie das echte, wirkliche Kino?

NEU IM KINO / THE ARTIST

03/02/12 Wenn Sie das nächste Mal einen aktuellen Fernsehfilm ansehen, drehen Sie den Ton ab und reduzieren Sie die Sättigung auf das Minimum. Sie sehen dann einen „Stummfilm“ - doch mit dem einzigen Effekt, dass der kleine, unbedeutende Film nur noch kleiner und unbedeutender sein wird.

Von Andreas Öttl

Fallen die Dialoge weg, die im Fernsehen hauptsächlich dazu dienen, die Handlung voranzutreiben, bleibt meist kaum mehr etwas übrig, was das Interesse aufrecht erhielte, weiter zu sehen. In den Anfängen der Filmgeschichte hingegen wurde die Handlung rein durch Bilder erzählt, was dem visuellen Medium „Film“ viel mehr entsprach. Für die Emotionen sorgten damals vor allem die Schauspieler, deren exaltiertes, gestikreiches Spiel zwar von der Realität weit entfernt war, aber dem Publikum dafür eine tolle Show lieferte. Film war damals viel näher daran, eine vollkommen eigenständige Kunstform zu sein – und die Schauspielkünstler trugen ihren Teil dazu bei.

Solch ein „Künstler“ ist auch George Valentin, die Hauptfigur in der Stummfilm-Hommage „The Artist“. Gerade noch von der ganzen Welt bejubelt, ist er mit der Einführung des Tonfilms plötzlich nicht mehr gefragt und schlittert dadurch in eine schwere Lebenskrise. Ausgerechnet die junge Schauspielerin Peppy Miller, der er zu Ruhm verholfen hat, erlebt dagegen einen kometenhaften Aufstieg und ist der neue Stern am Filmhimmel. Dass ebendiese jedoch zu seinen größten verbleibenden Fans zählt, würde der abgehalfterte Star zuerst nicht für möglich halten...

Der französischen Regisseur Michel Hazanavicius feiert mit seinem charmanten Film – der ohne Dialoge im Stummfilmstil inszeniert ist – die goldene Ära Hollywoods. Dies (und das hohe Durchschnittsalter der Academy-Mitglieder) mag der Hauptgrund sein warum der Film bei der kommenden Oscarverleihung als Favorit gilt. In zehn Sparten ist der Streifen nominiert.

„The Artist“ zeigt auch die Schattenseiten der Traumfabrik, allerdings weit weniger zynisch als dies Billy Wilder 1950 in „Sunset Boulevard“ tat. Darüber hinaus schafft es der Regisseur, das Publikum mit einer einfachen, aber liebevoll erzählten Geschichte zu berühren. Auch der Flair der damaligen Zeit wird mit vielen netten Details spürbar gemacht. Man hat das Gefühl, wirklich einen alten Film zu sehen, auch wenn der Regisseur sich nicht immer streng an die Stummfilm-Ästhetik hält. Das haben manche Puristen bereits kritisiert. Doch viel wichtiger ist ohnehin, dass der Film emotional authentisch ist. Zu verdanken ist dies unter anderem den großartigen Hauptdarstellern Jean Dujardin und Bérénice Bejo, die ebenfalls den Eindruck erwecken, aus der Glanzzeit Hollywoods zu stammen.

Der Film ist ein nostalgisches Vergnügen mit Stil. Er gibt eine Ahnung von der Magie und Faszination, die das Kino einst ausmachten. So mancher Cineast wird den an sich erheiternden Film mit einem Gefühl der Wehmut verlassen, denn in einer Zeit des Niedergangs des Kinos ist „The Artist“ auch genau darüber: den Niedergang des Kinos.

Fest steht jedenfalls: wer „The Artist“ nicht liebt, der liebt auch das Kino nicht.

Bilder: Delphi Filmverleih /

 

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