Der Fascho wird im Bett bekehrt
IM KINO / DER NAME DER LEUTE
01/06/11 Mit Hilfe einiger verhaltensauffälliger Protagonisten versuchen Regisseur Michel Leclerc und Drehbuchautorin Baia Kasmi auf Zusammenhänge zwischen Herkunft, Namen und Lebensstil hinzuweisen und noch auf einiges andere - oder so.
Von Michael Russ
Arthur Martin ist eine französische Elektrogerätemarke, die für Zuverlässigkeit und Innovationsgeist bekannt ist. Was liegt für das technikgläubige Ehepaar Martin also näher, als ihren Sohn Arthur zu nennen. Arthur Martin (Jacques Gamblin) wächst umgeben von technischen Neuheiten aus dem Haushalts- und Unterhaltungssektor auf und mit Eltern, die stur über das Schicksal seiner jüdischen Großeltern mütterlicherseits schweigen, die nach Ausschwitz deportiert wurden. In dieser Atmosphäre lernt er mit Gefühlen zurückhaltend umzugehen und legt sich einige Zwänge zu, was dazu führt, dass er als Erwachsener wenig Erfolg bei Frauen hat und als Mann um die 50 immer noch alleine lebt.
Bahia Benmahmoud (Sara Forestier) ist nur halb so alt und von ganz anderem Kaliber. Ihr Vater ist Algerier, der in den 70ern als Flüchtling nach Frankreich kam. Ihre Mutter ist eine Nonkonformistin, die sich gegen Kapitalismus und Kernkraft – und eigentlich eh fast alles - einsetzt und Asylwerber unterstützt. Bahia widmet sich dem Kampf gegen die Rechten - auf ihre ganz eigene Art: “Ich ficke Faschos!“ Wenn sie sich im Zustand höchster Erregung befinden, flüstert Bahia ihnen linke Parolen ein, die sich im Unterbewusstsein festsetzen sollen. Sie hat ein dickes Album mit ehemaligen Faschos, die sie auf diese Weise bekehrt haben will.
Bahia stuft auch Arthur als Rechten ein, fälschlicher Weise, er ist Anhänger des Sozialisten Lionel Jospin. Aber da sie schon dabei ist, bietet sie ihm trotzdem nach wenigen Minuten an, mit ihr ins Bett zu gehen. Was als kleines Sexabenteuer beginnt, wird zu einer Beziehung, die beide dazu bringt, ihren Lebensentwurf zu überdenken.
Regisseur Michel Leclerc und Drehbuchautorin Baia Kasmi spielen in ihrer Komödie mit Erwartungshaltungen und Vorurteilen, die mit Namen und Herkunft verbunden sind. Bahia ist stolz auf ihren Namen und würde gerne weniger französisch aussehen. Arthur verdrängt seine jüdische Herkunft und das Schicksal seiner Großeltern, ganz so wie er es von seinen Eltern gelernt hat. Sara Forestier und Jacques Gamblin verkörpern die beiden Protagonisten absolut glaubwürdig. Gamblin war von Anfang an Leclercs Wunschkandidat, die Rolle der Bahia wurde an Sara Forestier angepasst, nachdem die Entscheidung für sie gefallen war.
Leider hatten Leclerc und Kasmi ein paar Einfälle zuviel und konnten sich offensichtlich nicht dazu entschließen, auf einige davon zu verzichten. Das bringt zwar eine Fülle von Gags und somit einiges zu lachen, aber man weiß nie so recht, was der Film eigentlich will. Soll hier nur unterhalten oder auch zum Nachdenken angeregt werden? Die Themen, die man sich ausgewählt hat, deuten auf Zweiteres hin, die Mittel zur Umsetzung auf Ersteres. Anscheinend konnte man sich nicht wirklich entscheiden. In einer Episode des Films kaufen Arthur und Bahia gemeinsam ein, an der Kassa bemerkt sie, dass sie noch Koriander braucht, geht zurück zu den Gewürzen, trifft dort einen Freund, eilt nach Hause um Flugblätter zu holen, telefoniert, will sich dabei umziehen – kurz sie hüpft gedankenlos von einer Aktion zur nächsten, um schließlich nackt in der U-Bahn zu landen. Arthur steht inzwischen an der Kassa und wartet. Die Episode kann für den ganzen Film stehen, er hüpft von einer Aktion zur nächsten, es gibt einiges zu lachen und Sara Forestier kann sich nackt durchaus sehen lassen, aber für einen wirklich guten Film ist das einfach zu wenig.