Oper in 3D? Ja, natürlich!
CARMEN IN 3D
18/03/11 Es war nur noch eine Frage der Zeit bis das digitale 3D Zeitalter auch ein Thema für die Oper wird. Als ein Erstlingsversuch mit Verbesserungsmöglichkeiten und großem Zukunftspotenzial kann die Aufzeichnung der „Carmen“ aus London gelten.
Von Andreas Vogl
Mit der Möglichkeit, Filme in 3D zu zeigen, wurde das Kino wieder für ein größeres Publikum interessant. Ein Spektakel soll es sein, der Zuseher ist in den (animierten) Filmwelten mitgefangen und erlebt so das Geschehen „hautnah“. Oper im Kino ist seit den Übertragungen aus der MET New York und der „Bohème“ Dornhelms mit Netrebko und Villázon ein ganz schön einträgliches Zusatzangebot geworden, das sich über rege Besucherzahlen freuen darf und lange kein Nischenprogramm mehr darstellt.
Das Opernhaus Covent Garden in London hat sich nun mit Produzenten zusammengetan und erstmals eine Oper in 3D aufzeichnen lassen. Die Repertoireinszenierung von Francesca Zambello, welche in luxuriöser Besetzung auch auf DVD erhältlich ist, erweist sich als spektakelwürdig, zumal echte Esel, Hühner, ein Pferd und prächtige Kostüme zum Einsatz kommen. Das alles erlebt man, sobald man die passende Brille aufgesetzt hat, in räumlicher Auflösung. Die Protagonisten, der Chor treten über den Leinwandrand heraus, kommen auf den Zuseher zu. Der Nachteil, vielleicht durch den angeblich besten Sitzplatz mittlere Reihe in der Mitte, ist eine gewisse Verschwommenheit, oft sind Schnitte und das 3D-Spektrum zu gering als das man einen „widescreen“-Effekt erleben könnte. Man sieht die Sänger plastischer, lebendiger als in einer normalen Kinoübertragung oder auf dem heimischen Fernseher mit DVD-Player.
Selbst ein Livebesuch im Opernhaus birgt aus den oberen Reihen oft nur eine Kinoleinwand-Sicht ohne das Gefühl zu haben, dem Geschehen beizuwohnen (gerade das macht Theater ja aus?); mit Nahaufnahmen, Perspektivenwechsel und raschen Schnitten kann man im Kino aber Mimik und Schauspiel als filmisches Element viel besser einbauen.
Sängerisch und musikalisch ist diese „Carmen“ durchaus akzeptabel besetzt. Christine Rice schaut recht gut aus, räkelt sich erotisch und gibt stimmlich wenngleich keine überragende, aber doch beachtliche Leistung als verführende Zigeunerin ab. Bryan Hymel als Don José war mir vorher gänzlich unbekannt. Er besitzt eine eher leichte, nicht sehr kräftige Stimme, die in dramatischen Ausbrüchen aber gut trägt, in elementaren Passagen wie der lyrischen Arie im zweiten Akt jedoch an ihre Grenzen stößt. Aris Argiris als Escamillo hinterlässt einen rauen Eindruck, dafür ist Maija Kovalevska (in Salzburg noch aus der Festspiel-Aufführung von „Benvenuto Cellini“ bekannt) eine fabelhafte Micaela. Das Dirigat Constantinos Carydis‘ ist kapellmeisterlich, wenig aufregend.
Für die 3D Fassung, vermutlich um das Unterfangen mit knapp 3 Stunden (inkl. 20 Minuten Pause) kinotauglich zu machen, wurden Zwischenspiele sowie Chorszenen am Beginn des vierten Aktes gestrichen. Gerade der vierte Akt beeindruckt aber mit den Massenszenen und Aufmärschen, den wunderschönen Kostümen, die in 3D funkeln und leuchten, plastisch zum Greifen nahe rüberkommen, am meisten.
Es bleibt ein Versuch, der wie man hört, mit einer Live-„Madame Butterfly“ eine Fortsetzung finden soll. Wenngleich man meiner Meinung nach mehr Potenzial in Opernverfilmungen in 3D finden könnte: der Sturm am Anfang des „Otello“, der Tempelsturz am Ende von „Samson et Dalila“, das wären doch Erlebnisse, die im entsprechenden realistischen Ambiente große Wirkung erzielen könnten. Vorausgesetzt die musikalische Umsetzung passt. Kaufmann, Gheorghiu, Netrebko, Terfel und Co wären doch dazu sicher bereit?