Ein Börsen-Hai aus Salzburg
HINTERGRUND / DIAGONALE / „MICHAEL BERGER. EINE HYSTERIE“
19/03/10 Besondere Eigenschaften: keine. Für Grenzgenialität gibt es nicht die adäquaten Stichwörter in einem amerikanischem Steckbrief. Die liefert der Sprecher aus dem Off zu Bildern, die das Normale greifen, in dem das Unglaubliche passierte. Das Normale hat in Salzburg begonnen ...
Von Reinhard Kriechbaum
Viel Vertrautes sieht man im Film „Michael Berger. Eine Hysterie“, denn dieses außergewöhnliche Leben hat sich zwei Jahrzehnte in Salzburg abgespielt: In Lehen, wo Michael Berger in die Volksschule gegangen ist, in Liefering, wo er im Gymnasium der Herz-Jesu-Missionare maturiert hat. Als Teenie hat Michael Berger im Sport von sich reden gemacht, als Leichtathlet.
Aus der Provinz-Enge ist er dann als 22jähriger nach New York aufgebrochen und irgendwie innerhalb weniger Jahre zu einer der führenden Stimmen einer Broker-Generation geworden, die kräftig mitgepustet hat an der Dotcom-Blase. Ein Höhenflug und ein grandioser Absturz: Der kurze Ruhm als einer der erfolgreichsten Auslands-Österreicher war dahin, als Michael Bergers Hedge Fond als grandioses Pyramidenspiel entlarvt wurde. Flucht aus den USA, sechs Jahre U-Boot in Österreich, zufällig aufgegriffen bei einer Verkehrskontrolle. Und dann: Ende der Untersuchungshaft, weil die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift nicht rechtzeitig fertig kriegte … Einmal Glücksritter, immer Glücksritter?
Ein staunendes Diagonale-Publikum in Graz: Wer den Namen - der Kriminalfall machte schließlich Schlagzeilen - schon mal gehört habe, fragte Thomas Fürhapter, Regisseur der Doku „Michael Berger. Eine Hysterie“, in die Runde. Keine Hand ging hoch - lauter Nur-Feuilleton-Leser.
Die Fünfzig-Minuten-Doku verzichtet auf O-Töne, Ein Sprecher aus dem Off lässt und knappe Statements von Menschen hören, die sich mehr oder weniger genau erinnern. Kurze, bündige Sätze, ein Konglomerat aus lapidaren biographischen Stenogrammen und Beobachtungen. Wesentliches und Unwesentliches, wer mag das schon auseinanderhalten bei einem solchen Leben auf der wirtschaftlichen und moralischen Achterbahn? Man erfährt viel und doch auch herzlich wenig, vor allem kann man sich auch nach dem Film nicht recht erklären, wie Michael Berger wohl eingestiegen und hochgekommen ist in die Clique der Jung-Broker in Manhattan. Welche Mechanismen hat er genutzt? Die unspektakulären Bilder geben vielleicht eine Antwort: Da ist alles ganz gewöhnlich, unauffällig, erwartungsgemäß – aber Michael Berger hat sich eben nicht erwartungsgemäß verhalten. Mit seinen Luftgeschäften hat keiner gerechnet in der scheinbar wohlgeordneten Welt.
Das wird aber so nicht ausgesprochen, und der Regisseur Thomas Fürhapter (auch er besuchte das Lieferinger Privatgymnasium und kannte Michael Berger auch persönlich) hat sich in einer Wortmeldung aus dem Publikum nach der Diagonale-Projektion am Donnerstag (18.3.) fragen lassen müssen, ob er „bewusst langweilen“ wollte mit „banalen Redundanzen“. So kann man das durchaus sehen. Von der im Titel genannten „Hysterie“ ist der Tonfall des Films jedenfalls ganz weit weg, und er erklärt auch nichts von der Dotcom-Hysterie. Es wird nur protokolliert. Und mit cineastischen Ansprüchen ist man auch im falschen Film.