Je mehr es flimmert und flackert, desto besser
HINTERGRUND / KINO / DIGITALISIERUNG (2)
21/11/11 Strahlen nicht bereits die Worte „Film“, „Kino“ bzw. „cinema“ eine gewisse Magie aus, die das Kino nun zu verlieren droht? Jüngst fand bei der Viennale eine Diskussion betreffend Digitalisierung der Programmkinos statt, und da wurde gerade auch über diesen Punkt eingehend diskutiert.
Von Andreas Öttl
Bei der Debatte ums Digitalisieren wird vor allem eine Sache gerne übersehen – und dies ist den echten Filmliebhabern im wahrsten Sinn des Wortes ein Dorn im Auge: Die Entscheidung für die Digitalisierung wurde – wie so Vieles in unserer modernen Welt – hauptsächlich aus rationellen, wirtschaftlichen Kriterien heraus getroffen und nicht aus ästhetischen.
Doch ist Rationalität in der Kunst überhaupt angebracht?
Um es drastisch zu formulieren: das Kino verliert durch die Digitalisierung jene Merkmale, die es zur Ikone gemacht haben. Es wird jetzt zum Sklaven des Computers. Dies wiegt besonders deshalb schwer, weil die Kinos ohnehin bereits aufgrund der Konkurrenz von Fernsehen, DVD, Internet und Videospielen bedroht sind, auch wenn es freilich nach wie vor das Gemeinschaftserlebnis ist, dass die Leute ins Kino zieht.
Dennoch: die Attraktion der Projektion eines 35mm-Breitwandfilms war und ist ein zusätzlicher Anreiz, einen Film im Lichtspieltheater und nicht in ansonsten vergleichbarer Qualität im Heimkino zu sehen. Und Zeitzeugen wie etwa Robert Wintersteller, der über dreißig Jahre lang „Bildwurfmeister“ im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“ war, geraten heute noch ins Schwärmen wenn sie von den längst vergessenen 70mm-Projektionen von Filmen wie „Ben Hur“ auf der Riesenleinwand des ehemaligen Salzburger Stadtkinos erzählen. Dass es damals auch noch üblich war, im Anzug ins Kino zu gehen, ist ein anderes Thema.
Ein digitales Bild mag noch so perfekt sein – es „lebt“ nicht. Da hilft auch die als Rettung des (Hollywood)-Kinos gepriesene dritte Dimension nicht.
Die meisten Fachleute – nachzulesen etwa in der aktuellen dem Thema gewidmeten Ausgabe der französischen Filmzeitschrift „Cahiers du Cinema“ – sind sich einig, dass qualitativ hochwertige Filmbilder – vor allem was die Natürlichkeit der Farben und die Bewegungsabläufe betrifft – nach wie vor eine bessere Qualität liefern als digitale Bilder jeglicher Art.
Wirklich rationell erklären kann die Vorzüge von 35mm aber kaum jemand. Der französische Regisseur Bruno Dumont, dessen aktueller Film „Hors Satan“ in Frankreich sowohl auf 35mm als auch digital in die Kinos kommt, empfiehlt dem Kinopublikum die 35mm-Projektion und begründet dies so: „Der Mensch ist aus Chemie ebenso wie der Film aus Chemie ist. Deswegen reagiert man auf Film in einer bestimmten Weise was beim digitalen Bild nie der Fall sein wird.“
Um herauszufinden ob diese chemische Reaktion, dieses „authentische“ Filmerlebnis wirklich existiert oder im Grunde nur Einbildung ist, bleibt Cineasten künftig wohl nichts anderes übrig als die Cinematheken dieser Welt aufzusuchen, die wohl noch einige Zeit ihre gesammelten Filmschätze auf 35mm vorführen werden. Und es darf zumindest gehofft werden dass auch die Programmkinos ihre 35mm-Projektoren noch nicht ganz in die Rumpelkammer verräumen und uns wenigstens ab und zu mit 35mm-Projektionen alter Filme zu erfreuen.
Je mehr es dabei flimmert und flackert, desto besser...