Bach – und nicht „Knäckebrotmusik“
IM PORTRÄT / GORDON SAFARI
24/04/15 Das Projekt ist ehrgeizig, weil es mehr als genug Unwägbarkeiten gibt: „BWV“, in dem Fall nicht Bach-Werkeverzeichnis, sondern „Bach Werk Vokal“. Alle Kantaten, Passionen und Motetten also. Ein Zeitlimit von fünf bis sechs Jahren hat sich Gordon Safari dafür gesetzt. Am kommenden Sonntag (26.4.) geht es los.
Von Reinhard Kriechbaum
Er ist hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt, der aus Hannover stammende Gordon Safari, seit Herbst Diözesankantor der Evangelischen Diözese Salzburg-Tirol. Das ist ein neu geschaffener Kirchenmusikposten – ziemlich bemerkenswert in Zeiten wie diesen. „Auf die beiden Zentren Salzburg und Innsbruck“ wolle er sich vorerst konzentrieren, sagt der Organist und Dirigent, wobei Salzburg für ihn Priorität hat. Hier hat er sich kopfüber hinein gestürzt in die Arbeit: 40 bis 45 Leute zu sammeln für die neue Kantorei sei „eine Mammutaufgabe“ gewesen. „Notenkenntnisse werden vorausgesetzt, sonst ginge kein gehobenes Arbeitspensum“. Alle zwei Wochen werde die Kantorei im Gottesdienst singen, sagt Gordon Safari.
Seit kurzem gibt es unter seiner Leitung auch Kinderchorgruppen an der Christuskirche (Kleine Cantorey), von „Minis“ (4-6 Jahre) über „Midis“ bis zu den „Maxis“ (11-14 Jahre). Unmittelbar vor Ostern hat Safari in der Christuskirche mit einer Vormittags-Orgelkonzertreihe begonnen: „Orgelmusik zur Schranne“, am Donnerstag jeweils um 11.11 Uhr. „Orgelpunkt 2015“ heißt eine weitere Konzertreihe, in der Gordon Safari die Orgeln in den evangelischen Kirchen im Umland Salzburgs vorstellen möchte.
Aber das größte Projekt ist eben „BWV“. Auch dafür hat der 1980 in Braunschweig geborene Kirchenmusiker neue Sänger- und Instrumentalistengruppen quasi aus dem Boden gestampft: „Ensemble BWV“ heißt das Vokalistentrüppchen, „B@roqueB@nd“ die spielende Gruppe. Das Projekt werde „aufgrund der beteiligten Künstler von Anfang an internationale Dimensionen annehmen“, heißt es auf der Internet-Seite, wo Gordon Safari um Förderer wirbt. Noch sind dort vor allem Spendenbeträge in der Höhe von rund 40.- Euro aufgelistet. Wer aber 2.000 Euro springen lässt, der kann mit einigen Goodies rechnen. Wenn dann erst die erste CD mit Bach-Kantaten direkt aus Salzburg erschienen sein wird, kriegt derjenige mit den großen Spendierhosen davon gleich vier Exemplare frei Haus.
An Ideen, an selbst gestellten Aufgaben, an Marketingkonzepten und an Sinn für Publicity mangelt es dem im Interview bemerkenswert souverän und überzeugend wirkenden Feuergeist nicht. „BWV“ sei für Salzburg „ein absolut exklusives Pilotprojekt“, das „in seiner Ausrichtung auf das Bach’sche Vokalwerk bisher einzigartig ist“, so Gordon Safari. Das ist zwar etwas übertrieben (der Grazer Domkapellmeister hat seit vielen Jahren schon eine Bach-Kantaten-Konzertreihe ebenfalls mit Komplettheitsanspruch laufen). Aber wenn man was auf den Weg bringen will, muss man schon ein wenig kräftiger auf die Pauke hauen.
Kleine Brötchen will Gordon Safari jedenfalls nicht backen in seinem neuen Wirkungskreis. Deshalb auch der ganze vokale Bach und nicht „Knäckebrotmusik à la Pepping und Distler“. Bach könne er sich auch in Verbindung mit anderen Künsten vorstellen. Eine „Johannespassion mit Ballett“ fällt Safari quasi en passant im Gespräch ein.
Mal schauen, ob einer, der am Ort eigentlich keine eigenen Personalquellen hat, die Umsetzung auch durchhält – und ob das Publikum das neue Angebot annimmt. Heuer noch sollen acht Konzerte im Zyklus BWV stattfinden. Ein Monatsrhythmus wird angestrebt in den nächsten Jahren. „Man wird hier in Salzburg an der Qualität gemessen“, sagt Safari selbst- und siegessicher. „Das schlimmste sind Kirchenmusiker, die ein Mal im Jahr den ‚Messias‘ dirigieren und nur Lobhudelei von der lokalen Presse zu erwarten haben.“