Ein Popstar auf der klassischen Orgel
IM PORTRÄT / CAMERON CARPENTER
10/06/13 Wenn`s wirklich wahr ist, wird Cameron Carpenter sein Konzert morgen Dienstag (11.6.) im Großen Saal des Mozarteums mit dem Prélude aus der Ersten Sonate für Violoncello BWV 1007 eröffnen. Keine Musik ist davor gefeit, von Carpenter, der als eine Art Rockstar seines Instruments durch die Lande reist, ein Orgel-Gewand angelegt zu bekommen.
Er selbst hat ja auch ein durchaus „rockiges“ Outfit. Aber das heißt nicht, dass er nicht ein ernsthafter Organist ist, ernst zu nehmen nicht nur wegen seiner Finger- und Fußgelenkigkeit.
Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ hatte er schon als Elfjähriger drauf (und hat es, so jung, auch öffentlich gespielt). Als Kind, so erzählte der 1981 in Pennsylvania, USA, geborene Musiker in einem Fernsehinterview einmal, habe er eine Hammond-Orgel besessen. Die stand in der Ofenfabrik seines Vaters. „Also habe ich Buxtehude geübt – zwischen den Männern, die das Metall bearbeitet haben. Irgendwie habe ich genau davon einen Sinn fürs Kreieren und Machen mitbekommen. Außerdem konnte ich da besser üben als in einer Kirche, wo kaum etwas passiert.“ Ein Wunder, dass für ihn ein Auftritt auf dem Podium eines großen Konzertsaals für Cameron Carpenter wesentlich passender scheint als ein Musizieren als unsichtbarer Einzelgänger auf der Orgelempore einer Kirche?
Kaum eine Konzertbesprechung über ihn, da nicht sein Outfit nicht wenigstens in einem Nebensatz anklingt. Aber das heißt natürlich nicht, dass Cameron nur im effekthascherischen Konzertrepertoire oder gar nur im Orgel-Pop daheim wäre. Bei einem Konzert im Wiener Konzerthaus hat er zuletzt viel originalen Orgel-Bach hören lassen und auch beispielsweise von Liszt Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“. Das gehört für ihn eben dazu: das Ausloten der grenzen, das Switchen zwischen den Stilen – und das lustvolle Experiment. Wagner-Jahr ist heuer, und drum hat er fürs Ende des morgigen Stiftungskonzerts in Salzburg seine Bearbeitung vom „Waldweben“ aus Wagners „Siegfried“. Unmittelbar zuvor eine Eigenkomposition von Carpenter (aus den 2012 uraufgeführten „Science Fiction Scenes“), und davor wiederum ein ur-amerikanisches Werk, einen Satz aus der Sonate Nr. 2 („Concord“) von Charles Ives.
Das morgige Konzert in Salzburg soll Beginn sein einer mehrjährigen Zusammenarbeit im Rahmen des Stiftungs-Zyklus „Orgel plus“. Schon terminisiert ist das nächste Konzert, am 3. Juni 2014, mit einem Programm „rund um Mozart“ (es werden garantiert sehr weite konzentrische Kreise!). Es ist jedenfalls zu erwarten, dass Cameron Carpenter sehr genau hineinhört in die Propter Homines Orgel im Großen Saal des Mozarteums – denn seine Programme quasi „maßzuschneidern“ auf die Optionen, die ihm das jeweilige Instrument offeriert, sei ihm ein Anliegen. In einem Blog des Wiener Konzerthauses nachzulesen: „Samstag Mittag kam er in Wien an, bis auf ein Interview mit Radio Stephansdom nutzte er die Zeit bis zu Konzertbeginn am Sonntag Abend fast ausschließlich dafür, sich mit der Orgel des Wiener Konzerthauses auseinander zu setzen. Auf dieser intensiven Beschäftigung mit dem jeweiligen Instrument basierend stellt er gewöhnlich sehr spontan das Programm für den betreffenden Abend zusammen.“
Cameron Carpenter hat schon in seiner Studienzeit in den USA über hundert Werke für sein Instrument übertragen, unter anderem Gustav Mahlers Fünfte Symphonie und zahlreiche Klavierwerke von Chopin, Liszt, Ives, Medtner, Rachmaninoff oder Schumann. 2010 übersiedelte Cameron Carpenter von New York nach Berlin. Als erster Organist überhaupt wurde Cameron Carpenter für sein Album „Revolutionary“,(2008 erschienen bei Telarc) für einen Grammy nominiert. (dpk-krie)