Eine Kanonenkugel für die Brosche
IM PORTRÄT / MANFRED NISSLMÜLLER
28/02/13 Mein persönlicher Favorit im Retrospektive-Teil der Schmuckausstellung im Traklhaus: ein altmodisches Diktaphon. So ein analoges Uralt-Ding, in das man ein Mini-Tonband einlegt. Was so etwas mit Schmuck zu tun hat?
Von Reinhard Kriechbaum
Manfred Nisslmüller, dem die Retro-Schau im Studio der Landesgalerie im Traklhaus gilt, stellt sich vor, dass man das Diktaphon an der Brust trägt und ein Band einlegt. „Brosche … Brosche …“, tönt es dann in etwa an der Stelle, wo sich eine Dame, die auf Zierrat hält, normalerwiese ein von Material und Kunsthandwerk her nicht ganz billiges Ding ans Kleid heftet.
Eine gediegene Ausbildung zum Goldschmied hat er schon gemacht, der 1940 geborene Wiener Manfred Nisslmüller. Aber dann scheint er irgendwie auf die schiefe Bahn geraten und Künstler geworden zu sein. Oder sagen wir: Künstler-Philosoph. Er hat nämlich etwas getan, was bei Handwerkern eigentlich sonst nicht üblich ist, nämlich kritisch nachgedacht über sein eigenes Tun. Über den Umgang mit dem Material, über Anspruch und Funktion und über Schmuck überhaupt. „Die Brosche ist die Galionsfigur“, sagt er – und hat im Lauf von Jahrzehnten alles unternommen, um ihr diesen Rang streitig zu machen, ja, ihre Existenz überhaupt ad absurdum zu führen. Da liegt in einer Virtine etwa eine „gestörte Brosche“: Über der konventionellen, Steine fassenden Broche ist eine große graue Kugel montiert. Da schießt wohl einer mit Kanonen auf Spatzen, mit großem Kaliber auf konventionellen, altmodischen Goldschmiede-Schmuck!
Einer anderen Goldbrosche ist Manfred Nisslmüller mit Zange und Feile zuleibe gerückt: „Ich habe alles weggeschnitten, was nicht nötig ist.“ Die Brosche ist also auf die Befestigungs-Nadel selbst reduziert. Noch radikaler wäre bloß eine Sicherheitsnadel – aber so weit treibt’s der Künstler mit dem Profanen dann doch nicht. Im Lauf seines Lebens hat der 72jährige natürlich allerlei neue Materialien kommen sehen. Durchsichtige PVC-Folie hat ihn gereizt: Ein Plättchen, zwei Einschnitte kreuzförmig – und schon kann man es sich an den Finger stecken oder es am Handgelenk tragen. Alte Broschen hat er mit Gummibändern zu einer dichten Kugel zusammengebunden.
Und die Anti-Brosche überhaupt: „Da wollte ich alles falsch machen“, sagt er augenzwinkernd über das halbkiloschwere tiefschwarze Monstrum mit überdimensionaler Nadel. Nisslmüller versichert, dass sich unter der Acryloberfläche allerlei Preziosen befinden, die er übergossen hat mit dem Kunststoff. Am Abendkleid hätte das Ding echt Gewicht, und die Trägerin würde damit fast so auffallen wie mit der Fleisch-Brosche (einem Stück Rindfleisch mit Goldnadel). Mit dieser hat der Schmuck-Outlaw in den achtziger Jahren Aufsehen erregt.