Balance zwischen Lied, Oper und Konzert
IM PORTRÄT / GERALD FINLEY
01/02/13 Gestern Donnerstag hat der kanadische Bariton Gerald Finley eine Lieder-Matinee bei der Mozartwoche gegeben, im Sommer wird er bei den Festspielen den Don Alfonso in „Cosi fan tutte“ singen. Im DrehPunktKultur-Interview weist er besonders auf seine Vergangenheit als Chorsänger hin.
Von Elisabeth Aumiller
„Meine Karriere ist in drei Teile geteilt: Lied, Oper und Konzert mit Orchester“, erklärt der Sänger. „Ich versuche, die drei während des Jahres in guter Balance zu halten. Mein Gehirn muss immer aktiv sein und Lieder- Recitals sind wunderbar als intellektuelles Stimulans und sie halten die Stimme flexibel.“ Er sei „immer sehr unglücklich“, wenn er während einer Saison ausschließlich mit Oper zu tun hat. „Wenn ich mehrere Opernpartien singe, wird mein Gehirn schnell faul, denn da gibt es nicht so viele Gedächtnis-Herausforderungen und weniger intellektuelle Ansprüche.“
An den Orchesterkonzerten schätzt es Finley, mit „wunderbaren Musikern, Orchestern und Chören“ zusammenzuarbeiten. Er sei, so erklärt er, ja selbst als Chorsänger aufgewachsen Der Konzertbereich sei „die einzige Möglichkeit mit Nikolaus Harnoncourt arbeiten zu können. Die Beziehung zu ihm ist mir sehr wichtig.“
Was hat Gerald Finley bewogen, den Gesang zum Beruf zu machen? „Mein Training in Kanada begann in einem Kirchenchor mit Jungen und Mädchen gemeinsam, so etwa wie die englische Tradition in Kathedralen. Solche Chöre gab es damals in Kanada nur sehr wenige. Aber meine erste Motivation zum professionellen Singen entstand, als ich die Gelegenheit bekam, in New York City in einem großen Chor mitzuwirken, in dem viele professionelle Chorsänger anzutreffen waren. Ich fand es eine gute Idee, den Lebensunterhalt als professioneller Chorsänger zu verdienen und aus dem, was ich so liebte, einen Beruf zu machen.“ So sei er schließlich nach England gekommen. „Und als sich später meine besten Chorerfahrungen im Kings College in Cambridge nicht mehr überbieten ließen, machte ich mich auf den Weg, meine eigene Karriere zu schultern.“
Finley über Reisen und Familienleben: „Ich habe zwei ältere Kinder, 20 und 16 Jahre alt. Als sie klein waren, richtete ich meine Pläne danach aus, so viel wie möglich mit ihnen zusammen zu sein. Jetzt kommen sie zu meinen Opernvorstellungen nach San Francisco, Los Angeles, Salzburg, wohin auch immer. Sie haben Musik im Blut, aber nur zum Vergnügen, nicht als Beruf.“
Gerald Finley hält wohl viele Meisterklassen, aber schränkt auch ein: „Ich bin ein sehr viel beschäftigter professioneller Künstler, folglich unterrichte ich keine vokale Technik. Dafür bleibt nicht genügend Zeit.“ Er bewundere Kollegen, die viele Stunden in den Studios mit jungen Stimmen verbringen. Aber das Unterrichten ist ihm doch ein Anliegen: „Die jungen Leute haben neue und frische Energien und ich freue mich, zu beobachten, wie sie sich selbst entdecken. Wenn ich sehe, welche Herausforderungen sie bestehen müssen, hilft das auch mir selbst, über meine eigene Position nachzudenken.“ Ihm sei wichtig, dass sich die jungen Sängerinnen und Sänger als individuelle Persönlichkeit erkennen. „Ich wollte, man hätte mir früher gesagt, du hast deinen eigenen Weg zu finden. Aber das sagte niemand.“
Finley hat mehrere große zeitgenössische Werke aus der Taufe gehoben, wie John Adams‘ „Dr. Atomic“ oder „Nixon in China“. Es gebe „einige wirklich große englische zeitgenössische Komponisten“, die interessante Dinge anbieten. „Mich interessiert es, zu wissen, wie Komponisten von heute denken, wie sie von der Poesie beeinflusst werden, welche Klangvorstellung sie haben und wie sie Emotionen aufbauen. Wenn ich ein Medium und Repräsentant ihrer Kreativität sein kann, fühle ich mich sehr angeregt und ich möchte meine Hand über ihre Musik halten.”
Aber dann eben auch Mozart: Der sei „immer ein Teil meines musikalischen Lebens“ gewesen, von der ersten Opernerfahrung als Figaro bis zum Don Alfonso im kommenden Festspielsommer. „Als ich in Prag Don Giovanni sang zur Feier von Mozarts 250.Geburtstag, fühlte ich mich sehr geehrt.“
Neue Pläne? „Ich hoffe, dass ich mein Wagner-Repertoire erweitern kann. Ich habe kürzlich Hans Sachs gesungen und das war eine unglaubliche Erfahrung.“ Er habe „ein sehr gutes Leben“ gehabt als junger lyrischer Kavaliersbariton, „aber jetzt können auch die dunkleren und dramatischeren Partien kommen. Aber die Stimme sagt mir alles, sie ist die Instanz für die weitere Entwicklung.“