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Ich wollte ja nie zur Oper

FESTSPIELE / IM PORTRÄT / FRANZ-JOSEF SELIG

28/08/11 Der Komtur wird gleich am Beginn des Don Giovanni ermordet und taucht erst am Ende - als Statue, Geist oder Untoter - wieder auf. Der Parade-Komtur Franz-Josef Selig kommt in der Regie von Claus Guth als Totengräber zurück, bleibt aber dazwischen dran am Geschehen - über Lautsprecher oder direkt auf der Seitenbühne.

Von Heidemarie Klabacher

alt„Ihn als Totengräber darzustellen ist keine schlechte Idee. Er IST der Totengräber des Don Giovanni.“ Franz-Josef Selig singt in den Neueinstudierungen von Claus Guths Don Giovanni- und Le nozze di Figaro-Inszenierungen den Komtur und den Bartolo. „Der Komtur ist die Person, die gleich zu Beginn ins Stück eintritt, ermordet wird und zeigt, dass Don Giovanni in sein Verderben rennen wird. Er ist die älteste Person im Stück. Eine Vaterfigur, die dem Don Giovanni nicht das Wasser reichen kann, aber ihn dennoch ins Jenseits holt.“

Hier sieht der Bassist eine Parallele zum Figaro, in dem sich ebenfalls verschiedene Generationen um Fragen von Moral und Trieb bewegen. „Wie man auf der Bühne mit der Liebe und mit den Trieben umgeht, ist immer auch ein gutes Mittel, die Moral darzustellen.“ Da tritt also einer, der keine Moral kennt, wie Don Giovanni, gegen einen Verfechter der Moral an, wie den Komtur: „Das ist ein zeitloses Thema. Egal, wie ich es auf der Bühne darstelle, ob im Kostüm der Jetztzeit oder als historisches Stück. Wenn man die Werke nicht vergewaltigt, kann man sie ja in jede Zeit versetzten.“ 

Mit seinem Salzburger Figaro habe Claus Guth „die Klamotte entrümpelt“, sagt Franz-Josef Selig: „Guth legt Wert auf die Beziehung zwischen den Paaren. Es entstand eine derartige Klarheit, dass man die Musik teils neu hören konnte.“ Opernfreunden, die ein sehr traditionelles Figaro-Bild haben, „fehlte freilich das Lachen“. Aber, wirft Selig ein: „Ich  erinnere mich an Harnoncourt. Er sagte einmal, es zerreiße ihm das Herz, wenn er in der Szene, wo Cherubino verkleidet wird, ständig lachen hört. Da gehe es um Liebe und Eros - und nicht um Klamauk.“

altZurück zum Komtur: Er hat am Anfang und dann erst wieder gegen Ende der Oper einen Auftritt. Was tut Il Commendatore derweil Backstage? Wie hält ein Sänger die Spannung? „Das ist eine ganz individuelle Entscheidung. Das ist wie bei Gurnemanz, der hat im zweiten Akt auch nichts zu tun…“ Er folge jedenfalls „weiter der Musik“, erzählt Franz-Josef Selig. Er könne nicht inzwischen ein Buch lesen oder eine andere Rolle studieren. „Ich könnte das nicht. Ich bin jemand, der entweder über Lautsprecher zuhört oder auf die Seitenbühne geht und von dort aus dabei bleibt.“

Dass er zu den Sängern gehört, deren Karrieren lange dauern, verdanke er, so Franz-Josef Selig seinem Generalmusikdirektor am Beginn seiner Laufbahn: „Ich war von 1989 bis 1995 Ensemble in Essen. Generalmusikdirektor Wolf-Dieter Hauschild habe ihn Partien studieren lassen und ihm die Freiheit gegeben, „auch Nein zu sagen“. Junge Sänger heutzutage bekämen zu selten Gelegenheit, „Dinge auszuprobieren, ohne sie gleich auf der Bühne zu spielen und machen zu viele und zu schwere Dinge viel zu früh.“ Die Fürsorge für junge Stimmen, die Begleitung junger Leute an Stammhäusern durch Dirigenten, „die von Stimmen so viel verstehen wie früher“, das fehle heute manchmal. „Jeder soll immer gleich alles können.“ Franz-Josef Selig über sein Stimmfach: „Ein Bassist braucht einfach mehr Zeit. Ich bin 21 Jahre im Beruf und hoffe, dass ich zwanzig Jahre noch schaffe.“

Für die Stimme sei Liedgesang das Allerbeste: „Ich singe etwa den Hagen nicht auf der Bühne, weil das meiner Stimme nicht liegt. Lieber singe ich Lieder, als eine Partie zu erarbeiten, die meine Stimme ihrer Nuancen beraubt.“ Wer sich diese Nuancen möglichst lange zu bewahren suche, dem helfe die Intimität des Liedes: „Auch wenn man Wagner singt.“ Es komme vor, so Franz-Josef Selig, „dass ich zum Einsingen vor Wagner auch mal ein Schubertlied singe“.

Dabei hat der international gefragte Bassist als Kirchenmusiker angefangen. „Ich hatte bereits eine Kantorenstelle mit Orgel, Chor, Kinder- und Jugendchor. Ich wollte ja nie zur Oper.“ Zudem war er in den Gründungsjahren Mitglied bei Cantus Köln. Das Orgelspiel und Johann Sebastian Bach vermisst Franz-Josef Selig zunehmend. „Ich versuche das immer wieder abzurufen, komme aber selten dazu, das zu pflegen.“ Wie alte Musik überhaupt: „Ich habe den Seneca in Barcelona gesungen - mit Alte Musik-Spezialisten. Das waren glückliche Wochen und es hat auch der Stimme unglaublich gut getan.“ Die Herausforderung liege in der Leichtigkeit. Etwa mit dem Vibrato zu arbeiten: „Ohne Vibrato singen, dann ein leichtes Vibrato dazukommen zu lassen, oder auch einmal ein bewusstes Non-Vibrato…  Im normalen Opernalltag macht man sich darüber zu wenig Gedanken. Das ist eine heilsame und wunderschöne Arbeit.“

Morgen, Montag (29.8.) ist die letzte Vorstellung von Mozarts "Don Giovanni" bei den Festspielen. - www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SFS/Monika Rittershaus/Anne Hoffmann(1)

 

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