Leidenschaft fürs urbane Leben
IM PORTRÄT / CHRISTINE UND HORST LECHNER
01/12/10 Es gibt solche Leute, wirklich: Wohnen seit Menschengedenken mitten in Salzburg, träumen nicht vom Häuschen im Grünen, sondern fühlen sich wohl hier. Christine und Horst Lechner haben für ihren „Wohnturm“ in der Priesterhausgasse den Architekturpreis des Landes Salzburg bekommen.
Von Reinhard Kriechbaum
„Wir sind da richtig zu Hause“, schwärmt Christine Lechner und ihr Mann Horst versichert mit unverfälschtem Innergebirgs-Zungenschlag: „Wir sind Ur-Salzburger“. Drum haben sie sich eingerichtet, und zwar auf durchaus spektakuläre Art und Weise: Seit 1994 betreiben sie ihr Architekturbüro in der Priesterhausgasse. In einer Werkshalle, wo ältere Salzburger noch ihre Mopeds und Fahrräder zum Reparieren hingebracht haben. Dann kam der Wunsch, dort auch zu wohnen, ein Haus zu bauen. 107 Quadratmeter Wohnfläche, das ist nicht viel. Aber es ist der Preis, eben wirklich mitten in der Stadt zu wohnen.
Als Architekten haben die beiden getüftelt und Dinge umgesetzt, die Staunen machen. Der seichte, in die Höhe entwickelte Wohnturm hat sechs Ebenen, jene auf Straßenniveau ist offen wie eh und je, hier wird gearbeitet. Die beiden Architekten haben nach raffinierten Lösungen gesucht und die Vorgaben für energieschonendes Bauen weit unterboten: „Sieben Kilowattstunden pro Quadratmeter, das ist die Hälfte von einem Passivhaus“, schwärmt Horst Lechner. Sogar das Kabel zum „Auftanken“ eines künftigen Elektroautos ist schon verlegt. Der Mut zum Experiment war hoch und die Lust offenbar unbändig, „ein Konzept zu entwerfen, dass man das Gebäude möglichst autark betreiben kann“. Solches ist sonst nur am Land möglich, wenn überhaupt. „Wo sonst als bei uns selbst sollten wir das probieren?“
Das Atelier in der ehemaligen Fahrrad- und Moped-Werkstatt: „Das ist richtige Kultur in der barocken Stadt, wie in Italien.“ Die Lechners denken eben eingefleischt urban - und im Gespräch mit den beiden wird rasch klar, dass solche Leute in Salzburg rar sind. Die Grünzonen unangetastet lassen, aber „alle Bebauungspläne um zehn Prozent verdichten“ – das wäre Horst Lechners dringlichstes Anliegen an die Politik. Er sähe nur Vorteile: Infrastruktur wie Kanäle und Stromleitungen wären da, die Nutzung der Öffis würde steigen – „das wäre echte Ökologie“. Gar nicht zu reden vom wirtschaftlichen Impuls, denn „wenn man zehn Prozent dazu bauen darf, dann würden viele Leute das auch tun.“ Und langfristig gesehen: „Salzburg braucht in den nächsten Jahrzehnten den Zuzug von 50.000 Menschen. Die Option auf dichteres Verbauen brächte auch „die Spitze weg von den hohen Grundpreisen“.
Vor lauter Planen und Bauen haben Christine und Horst Lechner ganz aus den Augen verloren, dass sie sich um den Architekturpreis des Landes bewerben könnten. Da hat dann die Jury nachgeholfen, denn sie darf laut Statuten auch Projekte benennen. Und den Fachleuten ist eben aufgefallen, dass da in der Priesterhausgasse ein Beispiel für Architektur entstanden ist, das sich in seiner Außenform keineswegs duckmäuserisch gibt, aber doch nicht mit dem gegenüber (immerhin: Fischer von Erlach) und dem Daneben (Horst Lechner augenzwinkernd: eine Sockelzone von charakteristischer Schlampigkeit) kollidiert.