Sein Werk wird bleiben
TODESFALL / WOLFGANG RIHM
27/07/24 „Für mich ist Kunst eine andere Form von Atmung, von Hingabe, von Erschrecken und Umarmung und Schönheit und Furcht, von Erhabenem und Niedrigem in unauflöslicher Mischung.“ Das sagte Wolfgang Rihm. Der Komponist starb in der Nacht zum 27. Juli 2024 im Alter von 72 Jahren.
Wolfgang Rihm war mehr als vierzig Jahre untrennbar mit den Salzburger Festspielen verbunden. 1982 erklang mit der Uraufführung von Fremde Szene erstmals ein Werk des 1952 in Karlsruhe geborenen Komponisten bei den Festspielen. Es folgten Uraufführungen der Werke Mein Tod. Requiem in memoriam Jane S. im Jahr 1990, Lavant-Gesänge 2003, das Konzert für Violoncello und Orchester 2006 sowie das Zweite Klavierkonzert 2014 – jeweils Auftragswerke der Salzburger Festspiele.
„Die Salzburger Festspiele und ich persönlich haben Wolfgang Rihm unendlich viel zu verdanken“, sagt Festspielintendant Markus Hinterhäuser. „Wolfgang Rihms Werke haben die Geschichte der Salzburger Festspiele jahrzehntelang nachhaltig geprägt. Mit höchstem Respekt und Dankbarkeit blicken wir auf die vielen Sternstunden, die wir dem vergleichslosen Werk Wolfgang Rihms in Salzburg verdanken. Wir haben mit ihm einen Freund, einen wunderbaren Menschen und einen der wesentlichsten Komponisten unserer Zeit verloren“, so Hinterhäuser.
Zahlreiche Ehrungen würdigen Rihms musikalische Karriere. So wurde ihm 1995 das Komponistenporträt des Rheingau Musik Festival gewidmet, 1998 erteilte ihm die Freie Universität Berlin die Ehrendoktorwürde. 2001 erhielt er den französischen Orden "Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres". Ihm wurde der Ernst von Siemens Musikpreis zuteil, der Goldene Bär der Biennale von Venedig und der Orden "Pour le Mérite for Sciences and Arts". In der Saison 2013/2014 ernannte ihn die Sächsische Staatskapelle Dresden zum "Capell-Compositeur", er wurde Commandeur dans l'ordre des Arts et des Lettres, er erhielt den Robert Schumann Prize for Poetry and Music, die Ehrenmedaille des Landes Salzburg, 2016 wurde ihm die Künstlerische Leitung der Lucerne Festival Academy übertragen und er wurde zum Mitglied der Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique bestellt.
2000 widmeten ihm die Festspiele mit sieben Konzerten („Portrait Wolfgang Rihm“), 2010 mit zehn Konzerten („Kontinent Rihm“) sowie 2022 („Hommage Wolfgang Rihm“) jeweils eine eigene Reihe. 2010 wurde seine Opernphantasie Dionysos in Salzburg uraufgeführt, zuletzt im Jahr 2015 sein Musik-Theater Die Eroberung von Mexico neu inszeniert. Seine Rede „Was sagt Musik“ zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1991 habe bis heute Gültigkeit, so die Festspiel in ihrem Nachruf. 2021 hielt Wolfgang Rihm seine Salzburger „Rede über das Jahrhundert“. Zu seinem 70. Geburtstag verliehen die Salzburger Festspiele Rihm als erstem Komponisten die Festspielnadel mit Rubinen.
Mit „unerschöpflicher Fantasie, vitaler Schaffenslust und scharfer Selbstreflexion“ habe Wolfgang Rihm ein gewaltiges Œuvre geschaffen, das mehr als vierhundert Kompositionen aller musikalischer Gattungen umfasst. „Die Titel seiner Werke, wie etwa Jagden und Formen, der Chiffre-Zyklus oder Pol – Kolchis – Nucleus, sind symbolhaft für die Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte geworden.“ Der breiten Öffentlichkeit wurde Wolfgang Rihm mit der Aufführung seines Orchesterwerks Morphonie - Sektor IV bei den Donaueschinger Musiktagen 1974 bekannt. Ein weiterer Meilenstein gelang ihm mit der Kammeroper Jakob Lenz 1977, die den Beginn seiner Zusammenarbeit mit der Universal Edition darstellen sollte. Zu den weiteren wichtigen Werken zählen die Opern Die Hamletmaschine, Dionysos, Proserpina und Das Gehege.
Im Bereich des Orchesterrepertoires sind Verwandlung 1-6, Nähe fern 1-4, Transitus III, sein Zweites Klavierkonzert und die Werke Ernster Gesang, Gesungene Zeit oder Lichtes Spiel zu nennen. Für kleinere Ensembles schrieb er neben vielen anderen Werken Jagden und Formen, Séraphin-Sphäre, Fetzen oder Mnemosyne. Neben seinem musikalischen Schaffen war Rihm für sein kulturpolitisches Engagement bekannt. Er war Präsidiumsmitglied des Deutschen Komponistenverbands, des Deutschen Musikrats, Kuratoriumsmitglied der Heinrich-Strobel-Stiftung und Mitglied des GEMA-Aufsichtsrates. Des Weiteren betätigte er sich von 1984-1989 als Mitherausgeber der Musikzeitschrift Melos und fungierte als musikalischer Berater für die Deutsche Oper Berlin sowie des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.
Wolfgang Rihm zählt zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten Europas. Bis zuletzt war er als Künstlerischer Leiter der Akademie in die Planungen des Lucerne Festivals miteingebunden. Die Berliner Philharmoniker widmen Rihm und seinen Werken eine Composer-in-Residency in der bevorstehenden Saison 2024/25. Der Komponist starb nun in der Nacht zum 27. Juli 2024 im Alter von 72 Jahren. (SFS / Universal Edition)
Bild: UE / Eric Marinitsch