„Die Chemie stimmte von Anfang an“
IM PORTRÄT / BENJAMIN HARTMANN
16/12/21 Der Salzburger Bachchor hat einen neuen künstlerischen Leiter: Benjamin Hartmann. „Der Bachchor hat mich unmittelbar mit seiner Musizierlust angesteckt“, sagt der 31jährige Stuttgarter.
Von Reinhard Kriechbaum
Benjamin Hartmann begegnete dem Bachchor erstmals im April 2021, als er die Einstudierung zu Händels The Triumph of Time and Truth übernommen hatte. „Trotz seiner jungen Jahre zeichnet den Stuttgarter ein überaus reiches Erfahrungsspektrum aus, von dem die Produktion für das Linzer Brucknerhaus sehr profitierte“, heißt es in einer Presseaussendung des Bachchors heute Donnerstag (16.12.). „Die gemeinsame Arbeit an Händels The Triumph of Time and Truth war für den Chor eine überaus befruchtende“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Bachchors, Johannes Feigl. „Die Reaktion des gesamten Chores war einhellige Begeisterung.“
Vor wenigen Tagen hat Benjamin Hartmann also einen Fünfjahresvertrag als Künstlerischer Leiter des Bachchors unterzeichnet. Der junge Dirigent, Jahrgang 1990, legte an den Evangelischen Seminaren Maulbronn und Blaubeuren das Abitur ab und studierte anschließend Chordirigieren, Gesang, Schulmusik und Mathematik. Zuerst an der Musikhochschule Leipzig, dann an der Königlichen Musikhochschule Stockholm und schließlich bei Sommerkursen der Yale School of Music. Zudem absolvierte er einen Studienaufenthalt an der University of Cambridge. Zu seinen prägenden Lehrern zählen u. a. Stephen Layton, Fredrik Malmberg, Peter Dijkstra, Grete Pedersen und Frieder Bernius. Seit 2019 wird Hartmann vom Dirigentenforum des Deutschen Musikrats gefördert. Das ermöglichte ihm, Erfahrungen mit dem RIAS Kammerchor, dem Chor des Bayerischen Rundfunks, den Rundfunkchören des WDR und MDR sowie dem Württembergischen Staatsorchester Stuttgart zu sammeln.
2022 warten vielfältige Aufgaben auf den Bachchor und damit auf seinen neuen künstlerischen Leiter. Benjamin Hartmann arbeitet sich bereits jetzt in kommende Projekte ein und wird sich nach der Einstudierung für Beethovens Neunter im Mai vor allem der szenischen Produktion des Festspielsommers widmen. Der Bachchor ist für die szenische Produktion von Carl Orffs De temporum fine comoedia) verpflichtet.
„Die Chemie zwischen Chor und Dirigent stimmte von Anfang an, daher sehe ich mit großer Freude unserer künftigen Zusammenarbeit entgegen“, so der neue künstlerische Leiter. „Das musikalische Niveau des Bachchores ist erfreulich hoch. Dies zu kultivieren und weiterzuentwickeln, sehe ich als meine Kernaufgabe an. Dabei werden mir die A-cappella-Projekte des Bachchores besonders am Herzen liegen, damit der Chor sowohl szenisch als auch konzertant sein klangliches Profil schärft.“
Die von Alois Glaßner initiierte A-cappella-Reihe Chorage® wird also gewiss fortgeführt. Die von Hartmann erstellten Konzertprogramme zeichnen sich durch eine große stilistische Bandbreite und Experimentierlust aus, sie spiegeln die skandinavischen und anglophonen Studienerfahrungen, heißt es in seiner Künstlerbiographie.
Gregor Faistauer, Geschäftsführer des Bachchors, sieht die Bestellung von Benjamin Hartmann vor allem als wesentliches Zeichen für die künftigen Perspektiven: „In knapp drei Jahren wird für den Bachchor ein neues Zeitalter anbrechen, wenn er seine eigene Heimstätte im neuen Gebäude der Universität Mozarteum beziehen wird. Dafür und für die Weiterentwicklung des Chores braucht es den künstlerischen Input einer neuen Generation und die Neugier und Innovationsfreude, die Benjamin Hartmann zweifelsohne mitbringt.“
Als Dirigent arbeitete Hartmann mit namhaften Klangkörpern wie dem Schwedischen Rundfunkchor, Eric Ericsons Kammarkör, der Cappella Amsterdam, dem Kammerchor Stuttgart und dem Stuttgarter Kammerorchester, der Hannoversche Hofkapelle, der Jenaer Philharmonie, dem Leipziger Sinfonieorchester und der Gaechinger Cantorey. Seit 2016 leitet er den Maulbronner Kammerchor, seit dem Vorjahr ist er auch Chorleiter des ökumenischen Knabenchors collegium iuvenum Stuttgart. Bis 2026 wird Benjamin Hartmann in Maulbronn einen weithin beachteten Mendelssohn-Zyklus dirigieren, in welchem die kirchenmusikalische Chorsinfonik Mendelssohns im originalen Klanggewand zur Aufführung gebracht wird.
Eine enge künstlerische Zusammenarbeit verbindet den umtriebigen Benjamin Hartmann auch mit dem Landesjugendchor und der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz. Seit 2016 arbeitet er außerdem regelmäßig als Dirigent und Chorleiter an der Staatsoper Stuttgart, wo er eigene Produktionen an der Jungen Oper musikalisch leitet und 2018 bei der Produktion Erdbeben.Träume (UA) in Bühnendirigaten und der Einstudierung des Staatsopernchores mitwirkte.
In den ersten Monaten seiner Tätigkeit für den Bachchor wird Benjamin Hartmann noch zwischen Stuttgart und Salzburg pendeln. Mit der weiteren Übernahme der künstlerischen Verantwortung wird er seinen Lebensmittelpunkt aber mehr und mehr nach Salzburg verlagern.