In der Jeunesse groß geworden
IM PORTRÄT / PHILIPP COMPLOI
31/01/21 „Als Musiker durfte ich gemeinsam mit der Jeunesse die entscheidenden Schritte ins Berufsleben unternehmen“, sagt der Salzburger Cellist Philipp Comploi. Unlängst hat er interimistisch auch die Agenden des Generalsekretärs übernommen.
Die Jeunesse (Musikalische Jugend Österreichs) hat schon bessere Zeiten erlebt. Anstatt sechshundert Konzerte können in der laufenden Saison aus eigener Kraft nur mehr sechzig Veranstaltungen gestemmt werden, wenn es überhaupt so viele werden. Damit einher ging eine finanzielle Krise. Sie hat – nach dem ersten Lockdown – einen ziemlich einmaligen Vorgang ausgelöst: Im Juli 2020 hat man sowohl die künstlerische als auch die kaufmännische Geschäftsleiterin von ihren Aufgaben entbunden, also die hauptamtliche Infrastruktur aufgelöst. Unter anderem deshalb, weil man sie sich nicht mehr leisten kann. Die Zeiten, da man sich als Österreichs größter Konzertveranstalter hat bezeichnen können, sind sowieso längst vorbei. Seit sich generell unter Konzertanbietern herumgesprochen hat, dass man sich um Publikumsnachwuchs tunlichst auch selbst kümmern muss, gibt es ja kaum mehr eine Einrichtung ohne professionelle Jugendarbeit. Die Jeunesse ist deshalb nicht mehr der Platzhirsch unter den Musikvermittlern.
In dieser doppelt schwierigen Zeit also hat man die hauptamtliche Führung in die Wüste geschickt und der Vereinsvorstand hat ehrenamtlich die Führung übernommen. Anfang März hat man den Salzburger Cellisten Philipp Comploi als neuen Obmann und interimistischen Generalsekretär gewählt. „Wir schauen mutig, offen und innovativ nach vorne“, versichert Comploi. Es ist das erste Mal, dass ein Künstler die Jeunesse-Leitung übernimmt.
Philipp Comploi wurde 1986 in Salzburg geboren. Im Alter von sieben Jahren wünschte er sich ein Cello, „bekam auch eines und ist seit damals nur in Ausnahmefällen ohne ein Instrument gesichtet worden“, hieß es in seiner Programmheft-Biographie anlässlich eines Auftritts bei der Styriarte. Er studierte an der Universität Mozarteum sowie in Graz. Künstlerische Impulse gewann er durch die Zusammenarbeit mit Reinhard Göbel, Martin Haselböck, Andreas Lindenbaum, Martin Hornstein und Christophe Coin. Als Orchester- und Kammermusiker und als Solist ist er international gut vernetzt. Neben einer regen Konzerttätigkeit mit dem Trio Alba ist Comploi als Stimmführer in zahlreichen Orchestern und Ensembles gefragt, die sich auf Aufführungen mit Originalklanginstrumenten spezialisiert haben. So musizierte er in den letzten Jahren mit dem La Folia Barockorchester, der Wiener Akademie, dem Bach Consort Wien, dem Ensemble Delirio und dem Quadriga Consort. Aber auch die Cellistengruppe der Camerata Salzburg hat er schon verstärkt. Auf Einladung der Frédéric Chopin Universität Warschau hielt er 2014 einen Meisterkurs als Dozent für Barockcello.
Bereits während seiner musikalischen Studienzeit war Philipp Comploi besonders intensiv in der Jeunesse engagiert, sei es mit der Organisation und Betreuung der internationalen MusikCamps, als Künstlerbetreuer im Rahmen von Jeunesse-Tourneen oder als Mitarbeiter im Verkauf. Mit der Aufnahme in den Jeunesse-Vorstand ist er seit 2011 in die strategische Planung eingebunden.
Seit über siebzig Jahren gibt es die Jeunesse. Besonderes Augenmerk liegt auf einem niederschwelligen Zugang. Die Jeunesse ist Teil eines weltumspannenden Musiknetzwerks, der Jeunesses Musicales International. Als Non-Profit-Organisation verfolgt sie keine kommerziellen Ziele.
Was Stellenwert und Aktivität der Jeunesse anlangt, gibt es in Österreich große Unterschiede. In Salzburg beispielsweise führt die Jeunesse seit Jahrzehnten ein eher unauffälliges Leben, aber es gibt sehr wohl Jeunesse-Konzerte, etwa bei der Stiftung Mozarteum, in Hallein, in Zell am See, beim Kulturverein Schloss Goldegg und bei der Lungauer Kulturvereinigung in Tamsweg. (Jeunesse/dpk-krie)