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Eine(r) auf 100.000 sollte doch gehen...

IM PORTRÄT / NURAN DAVID ÇIALIŞ

17/11/20 Es gibt ein Theater-Leben nach der Krise. Und es gab Krisen auch schon vor Corona. Zum Beispiel jene, als Flüchtlinge in Menge 2015 auftauchten... Das Salzburger Landestheater möchte dazu ein Theaterprojekt von Nuran David Çalış herausbringen: #Ersthelfer #FirstAid.

Es verspricht so richtig Salzburgisch zu menscheln an diesem Theaterabend, der am 9. Jänner Premiere haben soll. Nuran David Çalış, 1976 als Sohn einer armenisch-jüdischer Einwander-Familie in Bielefeld geboren, hat sich in Salzburg umgehört.

Zum Beispiel hat er den ehemaligen Bürgermeister Heinz Schaden befragt. „Ich wollte ich zunächst wissen, was sein persönlicher Beitrag war, um diese Tragödie – die im September 2015 über uns und die Balkanroute hereinbrach – zu lindern. Mich berührte seine Geschichte sehr: Er ließ in einer schnellen Aktion die Tiefgarage des Salzburger Bahnhofs räumen und Feldbetten aufschlagen, damit die Schutzbedürftigen Schutz bekamen. Das hätte ich nicht erwartet von einem Politiker in seinem Amt. Ich kenne die Ausreden von Politikern, die sich hinter ihren Dienstanweisungen verschanzen.“

Um Menschen, die sich damals nicht versteckt sondern unmittelbar geholfen haben, soll es gehen in #Ersthelfer #FirstAid. Also um ein zeitgeschichtliches Bild aus Helferperspektive. Nuran David Çalış hat auch eine Recherchereise entlang der Balkanroute unternommen. Çalış ist Experte für dokumentarische Theaterformate mit politischen Schwerpunkten. Er arbeitet als Theater- und Filmregisseur sowie als Drehbuchautor und Dramatiker. Für seine Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ wurde er 2006 mit dem Wiener Theaterpreis „Nestroy“ in der Kategorie „Bester Nachwuchsregisseur“ ausgezeichnet.

So unterschiedlich die Motivation zu Flucht und Emigration sein kann, findet Nuran David Çalış immer wieder Parallelen in den Motiven. „Was ich immer wieder in den Erzählungen geflohener Menschen höre ist, was sie für ein Bild von Europa haben: ein Ort, der einer Utopie gleicht. In all ihren Geschichten erzählen sie von einem Ort, an dem Menschenrechte geachtet werden, es unabhängige Gerichte, freie Medien gibt; wo Polizisten primär helfen und vor allem schützen wollen und nicht foltern, oder gar gleich töten; wo Kinder zur Schule gehen können, Frauen und Männer gleichberechtigt sind.“ Solche Dinge wüssten „wir alteingesessenen Europäer“ gar nicht mehr zu schätzen, so der Theatermann.

Was den Umgang mit Flüchtlingen betrifft, registriert Nuran David Çalış einen Rückschritt, der sich durch die Corona-Krise noch einmal verschärft habe. An deren Beginn sei es gelungen, „innerhalb von vierzehn Tagen allein in Deutschland über 200.000 deutsche Staatsbürger sicher aus der ganzen Welt zurück nach Deutschland zu bringen“. Aber es mag „uns als gesamter europäischer Gemeinschaft“ nicht gelingen, 19.000 Flüchtlinge aus Lesbos zu holen. „Wenn wir diese Flüchtlinge holen würden, müsste zum Beispiel eine Stadt wie Leipzig (über den Verteilungsschlüssel, der vorliegt) nur drei Menschen aufnehmen.“ Eine Stadt mit 300.000 Einwohnern müsste bloß drei Menschen versorgen. „Aber das betrachten wir nicht genauer. Stattdessen halten wir an dem Narrativ fest, dass wir so etwas nicht bewältigen können.“

Was kann da Theater leisten? Mit der Landestheater-Produktion #Ersthelfer #FirstAid wolle man nach Lesbos fahren und es seien Gastspiele im In- und Ausland geplant. Von „Interventionen“ spricht Nuran David Çalış. „Theater hat die Möglichkeit, Dinge sichtbar zu machen. Aber auf eine konzentrierte, sinnliche Art.“ (Salzburger Landestheater/dpk-krie)

Die Premiere von „#Ersthelfer #FirstAid“ ist für 9. Jänner in der Szene Salzburg vorgesehen – www.salzburger-landestheater.at
Bild: Salzburger Landestheater / Costa Belibasaki

 

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