Unbequeme Vordenkerin der Republik Europa
IM PORTRÄT / ULRIKE GUÉROT
21/10/19 Brexit und Balkanroute (geschlossen natürlich). Trump, Johnson und Orbán. Nationalisten innerhalb und knapp ausserhalb Österreichs. Wie gut tut es, da und dort auch eine Stimme der Vernunft und Offenheit zu hören: Die Politikwissenschafterin und Publizistin Ulrike Guérot erhält den Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung 2019.
Von Heidemarie klabacher
Sie ist eine der gefragtesten Rednerinnen und Analystinnen für europäische Politik und eine Utopistin von Rang: 2013 veröffentlichte sie gemeinsam mit Robert Menasse ein Manifest zur Gründung einer Europäischen Republik. Da heißt es etwa: „Die Idee einer Europäischen Republik, in der die europäischen Regionen, ohne ihre Eigenart zu verlieren, in einem freien Zusammenschluss aufgehen, in den Rahmenbedingungen eines gemeinsamen Rechtszustandes, anstatt organisiert zu sein in Nationen, die miteinander konkurrieren – diese Idee wäre der normative Sollzustand, an dem wir jede europapolitische Entscheidung vernünftig messen könnten.“ Könnten. Träumen und Hoffen wird man ja dürfen.
Die Politikwissenschafterin und Publizistin Ulrike Guérot erhält jedenfalls den Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung 2019. Sie formuliere mit Leidenschaft die Vorstellung einer europäischen Integration, heißt es in der Aussendung des Landes heute Montag (21.10.). Ulrike Guérot traue sich, einige Schritte weiter zu gehen, als uns bequem erscheint: „IhrWunsch an die Zukunft prägt unser Verständnis der Gegenwart.“
Ulrike Guérot ist seit 2016 Professorin an der Donau-Universität Krems und Leiterin des dortigen Departements für Europapolitik und Demokratieforschung. Sie ist Gründerin des European Democracy Labs in Berlin. Ihre beiden Bücher Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie aus 2014 und Der neue Bürgerkrieg – das offene Europa und seine Feinde sind Meilensteine in der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union. Im Studienjahr 2017/18 hatte sie die Alfred-Grosser Gastprofessur an der Johann-Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt/Main inne.
In der Begründung der von Universitätsprofessor Klaus Firlei geleiteten Jury heißt es: „Ulrike Guérot hat sich um die Zukunft verdient gemacht, weil sie eine wissenschaftlich fundierte, der Aufklärung und der Europäischen Grundrechte-Charta verpflichtete Utopie unseres Kontinents entwickelt hat und zudem ihre fachliche Kompetenz höchst wirkungsvoll in die Zivilgesellschaft und in die politischen Diskurse einbringt.“
Der Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung wird 2019 zum zehnten Mal verliehen. Erster Preisträger war Robert Jungk, es folgten Dorothee Sölle, Jakob von Uexküll, Luise Gubitzer, Franz-Josef Radermacher, Jean Ziegler, Marianne Gronemeyer, der Politikwissenschaftler Elmar Altvater und zuletzt der (nicht ganz unumstrittene) deutsche Philosoph und Kulturkritiker koreanischer Abstammung Byung-Chul Han. Zur Vergabe 2019 standen 16 Nominierte zur Auswahl. Der Preis ist mit 7.500 Euro dotiert und wird vom Land Salzburg auf Vorschlag der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen vergeben. Der Preis 2019 wird am 13. November vergeben, an diesem Tag wird Ulrike Guérot auch mit Schülerinnen und Schülern oder Studierenddn der Universität Salzburg diskutieren.
Bild: Donauuniversität Krems