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Mit wohlgeformtem Kussmund

IM PORTRÄT / ANSELM GLÜCK

26/05/10 „Eines Tages löste sich ein Schuß, und fast im selben Augenblick fiel ich in einem Zickzackkurs zu Boden. Da lag ich nun, aber um die Wahrheit zu sagen, schreibe ich dergleichen nur und bin soeben dabei, auf eine Künstlerparty zu gehen. Ich habe das Vergnügen in Begleitung zu sein, und bin in bester Stimmung. Kaum angekommen, schreibe ich mich bei der Lebensgefährtin des Gastgebers ins Stammbuch, und um den Beweis anzutreten, präsentiere ich gleich darauf meinen wohlgeformten Kußmund.“

Von Heidemarie Klabacher

Treffender könnte man den Dichter und Zeichner Anselm Glück nicht porträtieren, als mit dieser Miniatur aus „Schatten abtasten“, seinem jüngsten Buch mit Sprüchen - besser gesagt:  mit „Sprach-, Denk- und Erzählsplittern“ - nd Zeichnungen, das 2009 bei Jung und Jung erschienen ist. Wen und was er da alles aufs Korn nimmt, und wie er mit leichter Hand den einen oder anderen Abgrund mit einem Netz aus Humor unterfängt, das sucht seinesgleichen.

„Schreiben macht Spaß und birgt viele Überraschungen. Zuerst hat man ein Blatt Papier und zum Schluss liegen viele Worte darauf und schlüpfen bei jeder Gelegenheit durch die Augen in den Kopf zurück. Wer schreiben mag, braucht nicht erst zu fragen. Zuerst fängt man an und wird nach und nach tüchtiger. Wer einmal mit dem Schreiben begonnen hat, merkt bald, wie viel Spaß es macht. Erfinderisch weiß manch heller Kopf lustige Dinge hervorzubringen. Schwelgen die ersten Worte noch durch vielerlei Möglichkeiten, ziehen die nachfolgenden eine immer engere Bahn, und wenn einem nichts mehr einfällt, beginnt man abzuschreiben. Zu guter letzt steht es einem frei, eine Zeichnung dazu zu machen“, sagt dazu der Autor.

Angefangen habe seine Begeisterung für das Geschichtenerzählen während seiner Jugendzeit in Luxemburg: Von den Linzer Eltern in ein belgisches Internat gesteckt, sei er dort von einem Mutter-Tochter-Gespann vorübergehend „adoptiert“ worden und diese hätten angefangen, dem schweigsamen Jungen Fragen zu stellen: Zuerst ganz normale, dann intimere, schließlich besonders solche, „die kein Mensch beantworten kann“. Aus jugendlicher Versagensangst heraus habe er immer alle Fragen wie aus der Pistole geschossen beantwortet, „wie ein Hund, der das Stöckchen apportiert“, den Damen die Welt erklärt.

Derlei bitter-komische Anekdoten erzählte Anselm Glück vor zwei Jahren im Rahmen seiner Lesung im Literaturhaus Salzburg, nachdem er den „Preis der Literaturhäuser 2008“ erhalten hatte - „wenn er nicht gerade Ausschnitte aus seinem jüngsten Buch ‚Die Maske hinter dem Gesicht’ vortrug“, wie DrehPunktKultur-Mitarbeiter Roman Gerold berichtete. „Dabei verschwammen recht bald die Grenzen zwischen Fiktion und Bericht: Flottierend zwischen Dialekt und Kunstsprache, Werk und (anscheinend) persönlichen Erzählungen, erschuf Anselm Glück ein eindrucksvolles Spannungsfeld aus Geschichten-Splittern. Und oft genug

musste ein Lachen im Hals steckenbleiben. So etwa wenn er (tatsächlich aufgeschnappte) Ottakringer Wirtshausmonologe imitierte oder eine durch Raumschiff  Enterprise inspirierte Metaphysik im Dialekt zum Besten gab - wie sie ebenso gut dem 2007 erschienenen Roman entnommen hätte sein können.“

Anselm Glück wurde 1950 in Linz geboren. Er studierte Sinologie, Völkerkunde und Gebrauchsgrafik, seine ersten Texte erschienen seit den 1970er Jahren in der Linzer Edition Neue Texte. Seit 1978 lebt er als freiberuflicher Dichter, Maler und Grafiker in Wien. Er schreibt Prosa und Theaterstücke, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u.a. Landeskulturpreis für Literatur des Landes Oberösterreich 2003, den Heimrad-Bäcker-Preis 2004 oder den Preis der Literaturhäuser 2008. Zuletzt erschienen der Roman „Die Maske hinter dem Gesicht“ (2007) und unter dem Titel „Schatten abtasten“ (2009) Sprach-, Denk- und Erzählsplitter mit seinen Zeichnungen.

Leider ist er dann doch nicht gekommen - Anselm Glück - zum „Bunten Abend“ mit dem das dritte Literaturfest Salzburg am Mittwoch (26.5.) in der Großen Aula eröffnet wurde. Eingeladen sind Dichterinnen und Dichter, die zugleich virtuose Sprachkünstler, Sprechvirtuosen und Performer sind. Anselm Glück ist einer davon. Mit ihm lesen Franz Dodel , Erika Pluhar und  Andreas Maier. Es musizieren  Sophie Hassfurther (Saxophon) und Tim Collins (Vibraphon). Weitere Termine: www.literaturfest-salzburg.at.
Bild: Verlag Jung und Jung /Paul Jandl

 

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